Bonn.

Alle Leserbriefe beziehen sich auf „SPD stimmt mit 56,4 Prozent knapp für Groko-Verhandlungen“ und die weitere Berichterstattung zum Sonderparteitag der SPD vom 22. Januar:

Als eigentlich nicht politischer Mensch muss ich einmal Folgendes loswerden:

Man kann in (Teilen) der SPD ja der Meinung sein, die Bundestagswahl hätte gezeigt, der Wähler wünsche kein „Weiter so“ einer Groko. Die SPD ist aber trotz großer Verluste die zweitstärkste Partei geblieben. Da „Jamaika“ gescheitert ist, hat sie die verdammte Pflicht, zu einer stabilen und handlungsfähigen Regierung beizutragen. Das geht nun scheinbar nur in einer weiteren Groko, weil die Parteien sich eine Minderheitsregierung nicht zutrauen.

Den No-Grokos bei den Jusos möchte ich sagen: Wenn ihr andere, bessere Pläne und Visionen zur sozialen Gerechtigkeit und allen Themen habt, die die SPD ausmachen sollten, dann geht in die Regierung und versucht, genau das zu erreichen, damit es eben kein „Weiter so“ gibt! Als „Zwerg“ (O-Ton Kevin Kühnert) auf der Oppositionsbank zu sitzen und auf kommende Größe zu warten, ist meines Erachtens nicht der richtige Weg.

Mit Grausen sehe ich einem Szenario entgegen, in dem die SPD in ihrem Mitgliederentscheid einem mühsam errungenen Koalitionsvertrag nicht zustimmt...

Nora Radke, Braunschweig

Geschwächte Kanzlerin, gespaltene SPD

Das Bundestagswahlergebnis bescherte der CDU/CSU mit 33 Prozent und der SPD mit 20,5 Prozent insgesamt fast 14 Prozent Verluste, aus dem kein erneuter Regierungsauftrag für eine Große Koalition zu lesen ist. Da schon im Wahlkampf von Union, FDP und Grünen die Absicht für eine sogenannte Jamaika-Koalition zu vernehmen war, konnte man am Wahlergebnis den Wunsch der Wähler auch so interpretieren. Martin Schulz, der SPD-Chef, folgerte vollkommen richtig, mit dem schwachen Wahlergebnis seiner SPD in die Opposition zu gehen, um dort parlamentarische Verantwortung zu übernehmen. Jede Partei sollte zwar koalitionswillig und -fähig sein, doch die SPD hatte keinen Regierungsauftrag. Durch die Unfähigkeit der Kanzlerin und des uncouragierten, sonst so alerten FDP-Vorsitzenden Lindner kam „Jamaika“ nicht zustande. Hiernach verstehe ich auch den Bundespräsidenten nicht, quasi seine Partei aufzufordern, Gespräche bezüglich einer Regierungsbildung aufzunehmen. Herr Schulz hätte seinen Kurs beibehalten müssen. Nach dem knappen Votum des Sonderparteitages der SPD, nun in Koalitionsverhandlungen mit der Union einzutreten, ist festzuhalten, dass wir bei Abschluss nur von einer kleinen Groko (53,5 Prozent) regiert werden, vor allem mit einer geschwächten Kanzlerin auf Abruf und einer gespaltenen SPD. Keine guten Aussichten!

Hartmut Preuß, Braunschweig

Europa braucht starke deutsche Regierung

Die alte Dame hat es doch noch geschafft, in Koalitionsverhandlungen einzusteigen. Eine schwere Geburt. Zum Glück haben sich die Pragmatiker doch noch durchsetzen können. Die Thesen von Juso-Chef Kühnert kann ich nicht nachvollziehen. Wer wählt dann noch die SPD. Dann wählen die Leute gleich das Original, Die Linke. Deutschland braucht aber eine starke Regierung, nicht nur für unser Land. In der globalisierten Welt brauchen wir ein starkes Europa, angeführt von Deutschland und Frankreich. Macron hat gute Vorschläge unterbreitet. Also, packen wir es an. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Willi Fassa, Salzgitter

Teile der SPD wollen eine sozialistische Partei

Nur wegen ein paar Forderungen, die bei den Sondierungen nicht durchgesetzt werden konnten, so einen ,Zwergenaufstand‘? Nein, es geht großen Teilen der SPD darum, aus einer sozialdemokratischen eine sozialistische Partei zu machen, und das geht nur in der Opposition. Wünschenswert wäre es schon, hätten doch dann einflussreiche Aktivisten unseres kulturellen Lebens endlich auch ein politisches Gesicht. Mit Rot-Rot-Grün gäbe es dann auch eine echte Alternative. Nur es ist sehr fraglich, ob das gut für unser Land ist, wenn man sich die lange Liste gescheiterter sozialistischer Experimente ansieht.

Wolfgang Reding, Braunschweig

Merkel muss auf die CDU Rücksicht nehmen

Da hat aber Herr Schulz noch mal die Kurve gekriegt und es geschafft (auch dank einiger Drohungen gegen Kritiker), dass eine knappe Mehrheit sich für die Koalitionsgespräche entschieden hat. Man hat aber auch gesehen, wie zerrissen die Partei ist – zwischen Verantwortung zum Regieren oder doch Opposition machen.

Aber glaubt die 20-Prozent-Partei SPD wirklich, das sie es bei den Koalitionsgesprächen schafft, fast ihre ganzen Wahlversprechen durchzubringen? Frau Merkel muss auch sehen, dass sie, wenn sie der SPD zu viele Zugeständnisse macht, Ärger mit der eigenen Partei bekommt. Es bleibt weiter spannend!

Björn Hammerer, Braunschweig