Zu „Martin Schulz – wie ein Popstar umjubelt“ vom 15 September schreibt Leserin Susanne Heine:.

„Betrachte alles von der guten Seite“, ist meine Devise. Bei oben genanntem Artikel ist das allerdings unmöglich. Dass alles, was in den verschiedenen Medien geschrieben oder gesprochen wird, nicht der Meinung aller entspricht, ist nicht zu ändern und gut so. Gleichwohl gilt auch für Journalisten, sich an Regeln zu halten, die guten Journalismus ausmachen. Den publizistischen Grundsätzen im Pressekodex ist zu entnehmen, dass Journalisten ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahrnehmen sollten.

Trifft das auf den genannten Artikel zu? Dort schreibt Frau Richter unter anderem: „kühner Herausforderer“, „selbst ein dänischer Journalist“, „keck im offensichtlichen Parkverbot“, „außergewöhnliche Vorgänge“, „lugen … finster drein“, „heftig am Bierzelt zerrt“, „behilft sich mit Spickzettel“, „korrigiert er auf Zuruf“, „spult seine Rede nicht herunter“.

Die Autorin Ann Claire Richter nimmt zur Kritik Stellung:

Ich bedauere sehr, dass Leserin Susanne Heine mein Text zum Wahlkampfauftritt von Martin Schulz missfällt. Möglicherweise hat sie zu diesem Anlass einen nüchternen nachrichtlichen Bericht erwartet, wie er vielfach auf unseren Politikseiten zu finden ist. Mein Auftrag aber war es, eine Reportage für den Lokalteil zu schreiben, die die Atmosphäre bei diesem Politiker-Besuch einfangen sollte. Während eine Nachricht oder ein Bericht Distanz wahren müssen, dürfen Reportagen ausdrücklich sehr nah und bildhaft an das Geschehen heranrücken. Es gilt sozusagen, mit Worten einen Film im Kopf des Lesers zu erschaffen. Im „Handbuch des Journalismus“ von Wolf Schneider und Paul-Josef Raue ist die Reportage unter der Rubrik „Die unterhaltende Information“ zu finden. Formulierungen wie „er spult seine Rede nicht herunter“ oder „Wind, der heftig am Bierzelt zerrt“ in meinem Text widersprechen meines Erachtens also nicht den Regeln, die guten Journalismus ausmachen.

Der Ombudsrat schreibt:

In der Tat handelt es sich beim Text von Ann Claire Richter um eine lupenreine Reportage. Für diese journalistische Darstellungsform ist eine sehr bildreiche Sprache typisch: Der Leser soll das Gefühl haben, das Erzählte mitzuerleben. Es steht also nicht – wie in Nachricht und Bericht – die reine Information im Vordergrund. Der Reporter vermittelt vielmehr atmosphärische Eindrücke vom Ort des Geschehens und nutzt dazu Adjektive, die verschiedene Sinne des Lesers ansprechen. So fließt die persönliche, subjektive Meinung des Reporters ein. Mit klaren Wertungen sollte sich der Autor allerdings zurückhalten. Zudem sollte er nichts Wesentliches verschweigen.

Die Ombudsräte können in der Reportage „Martin Schulz – wie ein Popstar umjubelt“ keine einseitig-negativen und deshalb kritikwürdigen Wertungen der Autorin entdecken. Vielmehr vermittelt die lebendige Sprache Ann Claire Richters ein sehr plastisches Bild von der Wahlkampfveranstaltung auf dem Braunschweiger Schlossplatz. Der implizite Vorwurf der Leserin, Martin Schulz und die SPD würden diskreditiert, ist nicht nachzuvollziehen; die publizistischen Grundsätze werden keineswegs
verletzt.