Hannover.

Alle Leserbriefe beziehen sich auf „Lehrer müssen Schule wechseln“ vom 3. August:

Die Ministerin findet, Abordnungen von Lehrern seien „eine ganz normale Maßnahme“. Damit hat sie Recht, nur fanden bisher solche Verschiebungen innerhalb vergleichbarer Schulformen statt. In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts wurden Real- oder Gymnasiallehrer zwar an die Orientierungsstufen abgeordnet, aber da unterrichteten sie Altersstufen, die sie von ihren Herkunftsschulen her kannten. Doch den Grundschulen dürfte mit Gymnasiallehrern nicht viel geholfen sein, die für das Lehren von Schreiben, Lesen und dem Einmaleins nicht ausgebildet sind. Wer das allerdings für hinnehmbar hält, wird wohl, falls sich die Lage im Grundschulbereich einmal gebessert haben sollte, vorschlagen, dass dann Grundschullehrer auch Oberstufenkurse am Gymnasium übernehmen. Bei einer so dilettantischen Schulpolitik nach dem Motto „Jeder kann doch alles“ muss man sich nicht wundern, wenn der Lehrerberuf so wenig Ansehen genießt.

Andererseits hat die Ministerin Recht: Die Situation ist „ganz normal“ und „die Gesamtlage nicht geeignet, irgendwelche Horrorszenarien an die Wand zu malen“ – wenn man sich nämlich vor Augen hält, dass dieses blamable Gewurstel seit Jahrzehnten gang und gäbe ist.

Frank Schröder, Braunschweig

Als würden Friseure auf eine Baustelle geschickt

Welch ein nicht zu übertreffendes Maß an Inkompetenz, Ignoranz (oder Dummheit?) steckt in der letzten hilflosen Maßnahme des Kultusministeriums in Sachen Unterrichtsversorgung, Gymnasiallehrer an Grundschulen zu versetzen. Es ist so, als würden Friseure auf eine Baustelle geschickt, um als Maurer dort tätig zu werden: Es sind doch beides ausgebildete Handwerker!

Wie klingt es doch stereotyp aus dem Ministerium: Gute Bildung hat Vorrang!!??

Ulrich Groberg, Braunschweig

Kindergärtnerinnen wären bessere Lösung

Das Studium für Gymnasiallehrer ist wesentlich mehr fachwissenschaftlich orientiert und passt somit zum Anforderungsprofil an Gymnasien, deren Schüler eine soziale Anpassung an Schule grundsätzlich schon erreicht haben. Das Studium für das „Höhere Lehramt“ ist zu wenig an pädagogische, psychologische und methodische Grundvoraussetzungen angelehnt, die in einer Grundschule aber unabdingbar sind.

Zusätzlich noch sind Zwangsabordnungen gegen den eigenen Willen einer eigenen Motivation absolut abträglich. Darüber hinaus haben Abordnungen gegen den eigenen Willen nur eine Laufzeit von einem Schulhalbjahr. Das bedeutet noch zusätzlich eine ständige Fluktuation. Im Sinne dieser jungen Grundschüler? Mitnichten. Grundschüler brauchen Kontinuität, Einfühlungsvermögen, Begeisterungsfähigkeit und methodische Kreativität. Diesbezüglich erscheinen mir viele Philologen mit längerer Berufserfahrung allein an Gymnasien absolut überfordert. Wenn nun leider aber aus mangelhafter Prognostik im Kultusministerium das Defizit an Grundschulen ausgeglichen werden muss, hielte ich den Einsatz von qualifizierten Kindergärtnerinnen für eine bessere Lösung im Interesse der Grundschüler.

Harry Howorka, Schöningen

Politik versagt bei der Bedarfsplanung

Die Lehrerausbildung in Niedersachsen dauert insgesamt circa sieben Jahre. Vor sieben Jahren hatten wir in Niedersachsen eine CDU/FDP-Landesregierung. Sie hat damals eine Vereinbarung mit den niedersächsischen lehrerbildenden Hochschulen über die Anzahl der auszubildenden Lehrkräfte getroffen.

Der Wissenschaftler Hartmut Titze skizzierte 1981 seine Zyklustheorie der Lehrerausbildung. Seit 1780 wechselten sich fünf Phasen von Überfüllungs- und Mangelsituationen im Lehrerberuf ab. Gleichsam naturwüchsig wie Ebbe und Flut sind sie über die Generationenfolge hinweg pulsiert. Sowohl die Mangel- als auch die Überfüllungssituationen wurden von der jeweiligen Kultusbürokratie nicht gemeistert, weil sie durch gesellschaftlich-politische Mechanismen bedingt waren. Verwaltungen reagieren meistens zu spät, zu undifferenziert und zu wenig flexibel.

Ist der Lehrerarbeitsmarkt überhaupt planbar? Nach Titze würde sich dieses Problem „langfristig nur einer Lösung näherbringen lassen, wenn die Problemwahrnehmung und die Problembearbeitung in diesem Bereich kontinuierlich wissenschaftlich angeleitet und zu einer aufgeklärten politischen Daueraufgabe wird“.

Für Heinz Bischoff, der vom „Schweinezyklus auf dem Lehrermarkt“ spricht, erweist sich die Angebotsseite des Lehrerbedarfs als unplanbar, da der Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik im Sinne der „freien Marktwirtschaft“ weitgehend ungelenkt und ungeplant ist. Auf diesem Hintergrund ist die momentane Kritik von CDU und FDP nichts als Wahlkampfgetöse.

Diethelm Krause-Hotopp, Destedt