Goslar.

Beide Leserbriefe beziehen sich auf „Warum Facebook die Kirche nicht rettet“ vom 20. März:

Die in Goslar versammelten Vertreter der Braunschweigischen Landeskirche haben wahrlich allen Grund, besorgt auf die eigene Stellung in der Gesellschaft zu blicken. Im Gegensatz zum französischen Staat verhelfen ihnen unsere Finanzämter zwar immer noch zu sprudelnden Einnahmen, aber eben ohne Bestandsgarantie. Wer diese Zwangssteuer nicht zahlen möchte, erklärt seinen Austritt aus der Gemeinschaft der organisierten Christen.

Landesbischof Dr. Christoph Meyns verweist zu recht auf den Bedeutungsverlust von Institutionen jeglicher Art und die Eigenverantwortung des Menschen für seine Lebensgestaltung. Erstaunlicherweise glaubt er nicht, dass es an den theologischen Inhalten liegen könne.

Gesetzt den Fall, Martin Luther (16. Jahrhundert) und Immanuel Kant (18. Jahrhundert) träfen in einer Talkshow aufeinander, um ihre Menschenbilder zu vergleichen, und der Einstieg erfolgte über den paradiesischen Sündenfall: Luther, als Jünger des Heiligen Augustinus, verdonnert Adam und Eva (die für ihn existierten) zur ewigen Erbsünde und gibt sie der unberechenbaren Gnade seines Herrgotts anheim. Für Kant ist der Sündenfall keine Straftat, sondern der notwendige Schritt zur geistigen und moralischen Entfaltung des Menschen. Ende der Debatte: Eine Verständigung ist unmöglich. Luther verbleibt im Mittelalter. Der Aufklärer Kant ist immerwährende Gegenwart.

Aribert Marohn, Braunschweig

Gottesbild ist nicht mehr zeitgemäß

Glaubt Landesbischof Meyns wirklich, was er da sagt? Dass es nicht an den Inhalten der Kirche liegt, wenn Menschen aus der Kirche austreten, sondern an der schwindenden Bindung an Institutionen? Die Menschen wechseln doch nicht zwischen Fitnessstudio, Kreisvolksschule und christlicher Kirche, sondern treten aus der Kirche aus – und zwar endgültig. Und der wichtigste Grund dafür ist unsere Bildungsgesellschaft, in der man den Menschen nicht mehr erzählen kann, Gott teile Meere, schreibe mit seinem Finger Gebote auf Steintafeln und lasse vom Heiligen Geist ein Kind zeugen, das von einer Jungfrau in einem Stall bei Ochs und Esel geboren wird. Es ist an der Zeit, mit dieser Religionsfolklore Schluss zu machen, den Sinn der Texte zu analysieren (was seit knapp 200 Jahren geschieht) und an einem Gottesbild zu arbeiten, dass den Menschen nicht mehr die Haare zu Berge stehen lässt.

Wolfram Buchwald, Gifhorn