Braunschweig. Zur Berichterstattung über den früheren Propst Armin Kraft erreichten die Redaktion zahlreiche Leserbriefe. Ein Überblick.

Auch ein Pastor hat ein Recht auf Privatleben. Somit darf er auch von Freunden Geschenke annehmen. Angreifbar wäre er dennoch: Wenn es kein Einzelfall ist und er eventuell keine Schenkungssteuer gezahlt hat. Die Angehörige der Verstorbenen muss sich fragen lassen, warum sie nicht schon zu Lebzeiten von dieser besonderen Freundschaft wusste. Hatte sie keinen so engen familiären Kontakt? Grundsätzlich muss jeder Mensch über sein Vermögen frei bestimmen können, und zwei Jahre nach dem Tod sollten sich Fragen nach Verbleib der Hinterlassenschaft von selbst verbieten, da die wichtigste Person keine Antworten mehr geben kann.

Marianne Wesemann, Rolfsbüttel

Wo bleibt da die Vorbildfunktion?

Als Propst Geldgeschenke anzunehmen, geht gar nicht! Wo bleibt da die Vorbildfunktion? Haarspaltereien zur Rechtfertigung unterstreichen nur das „Geschmäckle“ der Tat. Hier bleibt nur: bei den Hinterbliebenen entschuldigen, 100 000 zurückzahlen und Rückzug aus allen öffentlichen Ämtern.

Peter Stahnke, Braunschweig

An Rufmord grenzende Inszenierung

So eine „Tante“ hätte doch jeder gerne. Was soll diese Heuchelei einer Verwandten, die ihrer Tante anscheinend nicht das Gefühl geben konnte, gemocht und gern gesehen zu werden? Diese an Rufmord grenzende Inszenierung (irgend etwas bleibt schon hängen) scheint nichts anderes zu sein, als der Ärger über partiell entgangenes monetäres Erbe. Es soll Geistliche geben, die – unabhängig vom Kirchenamt – ein Privatleben haben. Dort können sie Freundschaften hegen und pflegen, wie sie wollen. Sie können ihren Freunden helfen und sich von ihren Freunden helfen lassen. Und wenn einer viel Geld hat und meint, dem anderen damit, wann und wie oft auch immer, eine Freude machen zu können, ist daran nichts verwerflich. Das als großen Fehler zu bezeichnen, für den sich Armin Kraft entschuldigen muss, ist daher absurd. Ebenso wie eventuell folgende entrüstete Reaktionen von Gutmenschen, die geglaubt haben, Armin Kraft müsse lebenslänglich uneigennützig und ausschließlich zum Wohle seiner Mitmenschen agieren. Sie verwechseln ihn mit dem letzten Vollkommenen, von dem ich gehört habe. Der wurde vor ca. 2000 Jahren nach einem recht zweifelhaften Prozess an ein Holzkreuz genagelt.

Justus Becker, Sauingen

Geldgeschenke im fünfstelligen Bereich

Ich zitiere: 1. „Mit einem Kirchengehalt von A 13 habe er jedoch die privaten Zuwendungen an die Familie als ’warmen Regen’ empfunden.“ 2. „Dieser Absatz ist aber nicht anzuwenden ’für Zuwendungen , die im Familien- und Freundeskreis üblich sind und keinen Bezug zum Dienst der Pfarrerin oder des Pfarrers haben.’

Ich frage: 1. Wissen alle Leserinnen und Leser eigentlich, was A 13 an Gehalt bedeutet? 2. Machen sie auch im Familien- und Freundeskreis Geldgeschenke im fünfstelligen Bereich? Lieber Herr Kraft, nehmen Sie Ihre Sammelbüchse, Ihren Hut und gehen Sie demütig und leise.

Klaus-Dieter Kusatz, Braunschweig

Anmerkung der Redaktion: Die Kirchenbesoldung ist an den Öffentlichen Dienst angelehnt. In Niedersachsen entspricht das Gehalt A 13 – je nach erreichter Stufe – einem monatlichen Brutto-Gehalt zwischen 3600 Euro (Stufe 3) und 4900 Euro (Stufe 12). Hinzu kommen eventuelle Zulagen (Quelle: www.oeffentlicher-dienst.info)

Andere haben nicht so ein hohes Gehalt

Der arme Mann, hatte nur A-13-Gehalt. Brauchte eine Spende für den Türkei-Urlaub. Andere wollen oder müssen auch mit viel weniger Gehalt in den Urlaub fahren.

Dieter Meinke, Braunschweig

Die beleidigte Leberwurst

Es ist das alte, wohlbekannte Muster: Da entdecken Erben, dass eine nahe Verwandte – nennen wir sie der Einfachheit halber Tante – über Jahrzehnte hin Geld verschenkt hat, sehr viel Geld, das nun den Erben entgeht. Und sogleich wird der Empfänger ausgemacht und angeprangert, ein bekannter Braunschweiger und seine Familie, der Mann dazu noch kirchlicher Amtsträger. Bei ihm und seiner Familie hatte die Tante die familiäre Atmosphäre gesucht und gefunden, die ihr die Erben nicht geben konnten oder wollten.

Ich weiß nicht, welches Verhältnis die Erben zur Kirche bzw. deren Pastoren haben, doch hätte es bestimmt nicht so ein öffentliches Theater gegeben, wären die Geldempfänger nicht Armin Kraft und seine Familie gewesen. Und so ist das Verhalten der Erben nicht zu werten als eine Empörung über eine unrechtmäßige Bereicherung, sondern es erhält den Anstrich eines quasi Rachefeldzuges nach dem Motto, nun zeigen wir es ihnen einmal. Welcher immense Schaden damit angerichtet werden kann, darüber scheinen die Erben nicht einmal nachgedacht zu haben.

Dieter Höhne, Braunschweig

In Limburg ging es auch um Kirche und Geld

Wie komme ich jetzt auf Limburg, war die Frage, die ich mir während des Lesens der Berichterstattung zum Rücktritt von Herrn Kraft stellte. Doch dann fiel mir ein, richtig, da ging es doch auch um Kirche und Geld.

Gudrun Kröhl, Meine

Moralische Instanzen waren Kirchenleute nie

In der Tat ist Herr Kraft auch nur ein Mensch und jeder Kritiker sollte sich fragen, ob er diese Geschenke ausgeschlagen hätte. Die Kommentatorin irrt aber, wenn sie schreibt, dass „Kirchenleute moralische Instanzen sind, eine der letzten Bastionen, die die Fahnen der Tugendhaftigkeit auf allen Ebenen hochhält“. Das hat noch nie gestimmt. Um das zu erkennen, muss man nur einen kurzen Blick in die Geschichtsbücher werfen, egal in welche Epoche der Kirchengeschichte, bis in die Gegenwart. Menschliche Größe und Kleinheit, Bescheidenheit und Protz, Gut und Böse verteilen sich auf alle Menschen, völlig unabhängig von irgendeiner Religiosität. Häme ist nur angebracht, wenn die Kirchen weiter fortfahren, permanent das Gegenteil zu behaupten und sich als die alleinigen Vertreter des Guten darzustellen. Wenn aber zusätzlich das generelle Abqualifizieren religionsfreier Menschen fortgesetzt wird wie kürzlich beim Auctortag in der Dornse, wo behauptet wurde, dass Menschen ohne Religiosität Nihilisten seien, voller Hass und ohne Empathie und Menschlichkeit, dann könnte aus Häme irgendwann sogar Verachtung werden. Wäre nicht gegenseitiger Respekt erstrebenswerter?

Peter Koch, Vordorf

Für die Häme sorgt man selbst

Nun ist „der Schauspieler des lieben Gottes“ (Kommentar der Braunschweiger Zeitung vom 30. Dezember 1997) betroffen – und zugleich einer der größten Sprücheklopfer vor dem Herrn („Kraftworte“)! Für was die ganze Sache symptomatisch steht: „Fürs Heil bedrängter Seelen“ läuft „der Ablasshandel“ auch bei protestantischen Geistlichen scheinbar ungebrochen weiter! Für Häme sorgt man selbst!

Bodo Wallasch, Wolfenbüttel

Falsche Unterstellung der Scheinheiligkeit

Sie vergleichen im Kommentar „Das Maß verloren“ Herrn Krafts Verzicht auf Geburtstagsgeschenke mit der privaten Annahme von „üppigen Geschenken“. Der Begriff „Scheinheiligkeit“ liege nahe. Ich halte diese Unterstellung für falsch, weil die Unterscheidung von öffentlicher und Privatsphäre nicht hinreichend gewürdigt wird. Ich betrachte eine Geburtstagsfeier wie die im Dom als eine öffentliche Veranstaltung mit einem Querschnitt durch die Braunschweiger Gesellschaft. Die Annahme von privaten Geschenken aus dem langjährigen familiären Umfeld (Freundin von Frau Kaft, Patentante zweier Enkel) ist eine ganz andere Dimension, unabhängig von ihrer Höhe. Hier können natürlich Neidkomplexe entstehen. Eine vermeintliche Verletzung der Dienstpflicht dieses verdienstvollen Mannes sieht anders aus. Dass Angehörige der inzwischen Verstorbenen sich beim Fernsehen über Teile ihres entgangenen Erbes auslassen, ist erklärlich. Aber: Wie sehr haben sie sich in den vielen Jahren davor um die alte Dame gekümmert?

Johannes Wolframm, Erkerode