Braunschweig.

Zu „5 Jahre Schloss – So hat es Braunschweig verändert“ vom 5. Mai:

Als DDR-Diktator Walter Ulbricht 1962 die aufbaufähige Ruine der gotischen Sophienkirche in Dresden abreißen und 1968 die unzerstörte

Universitätskirche St. Pauli in Leipzig in die Luft sprengen ließ, erhob sich im Westen jedes Mal ein Proteststurm gegen diese ideologisch motivierte Barbarei. Jedes Mal konterte die DDR ungerührt mit dem Verweis auf den Abriss des Braunschweiger Schlosses. Und in der Tat war der Schloss-Abriss eine eben solche ideologisch motivierte Barbarei, zumal in der Hochblüte des Wirtschaftswunders, als im Westen Milch und Honig und damit öffentliche Gelder flossen.

Dem Dresdner SED-Oberbürgermeister jener Jahre, Walter Weidauer, wurde für seine „Verdienste“ die Ehrenbürgerwürde verliehen. Der Volksmund nannte ihn dagegen „Wiesen-Walter“ - wegen des in seiner Amtszeit stattgefundenen Totalabrisses des historischen Stadtzentrums. Bis heute, mehr als 20 Jahre nach dem Ende der DDR, hat der Dresdner Stadtrat mit seiner CDU-FDP-Mehrheit es nicht fertiggebracht, diesem Lumpen die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen... Wenn ich daran denke, dass Martha Fuchs aus Sachsen stammte, schäme ich mich, ein Sachse zu sein.

Arnd Koch, Braunschweig

„Endlich kommen auch die unterdrückten Fakten zur Schloss-Rekonstruktion auf den Tisch“

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Es ist als ein positives, ermutigendes Zeichen zu werten, dass sich fünf Jahre nach der Fertigstellung nun auch die Braunschweiger Zeitung im Vergleich zu ihrer damaligen Berichterstattung um eine kritischere Bewertung des problematischen Baukomplexes der Schlossarkaden bemüht. Henning Noske ist prinzipiell zuzustimmen: Ohne das notwendige Quantum an ernsthaft rekonstruierten Innenräumen und ohne Rekonstruktion der Rotunde, des Herzstücks des verlorenen Ottmerschlosses, kann schwerlich von dessen „Wiedergeburt“ gesprochen werden. Zu loben ist auch die Entscheidung, mit Dr. Uwe Meier einen Projektgegner ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Dr. Meiers treffende Benennung der wunden Punkte des Unternehmens ist zu ergänzen mit dem Hinweis, dass vor der Errichtung der Schlossnachstellung die zum Teil noch erhaltenen Fundamente und aufgehenden Wände des Kellergeschosses des Vorgängerbaus zerstört und somit die letzten vor Ort nachweisbaren Reste des Originals vernichtet wurden. Vor der sogenannten „Wiedergutmachung“ sorgten also die Rekonstrukteure für eine Eliminierung eines historisch wertvollen, unwiederbringlichen Teils jenes Gebäudes, das sie „wiederherstellen“ wollten.

Doch nicht nur manchen Redakteuren der Braunschweiger Zeitung, sondern auch dem Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann ist inzwischen bewusst geworden, dass fundierte Kritik an den Schlossarkaden auf Dauer nicht ignoriert werden kann. Mittlerweile hat er offensichtlich erkannt, dass ein nachgebautes Schloss nur auf ungenügende Weise als Erinnerungsarchitektur funktioniert, wenn in dessen Hauptbaukörper, dem symbolträchtigen Mittelbau, der Kommerz regiert. Daran ändert auch die weitgehende Belegung der Zwischenflügel und Seitenrisalite durch Kultureinrichtungen nur wenig.

Dr. Hoffmann irrt sich dagegen mit seiner Einschätzung, dass es sich bei den überregionalen Kritikern lediglich um eine „kleine, feine Minderheit“ handelt. In Wahrheit bestehen selbst bei den Fachleuten, die grundsätzlich für das Rekonstruieren historischer Gebäude eintreten, durch die Bank große Vorbehalte gegen die Braunschweiger Lösung. Als nur ein Beispiel von vielen sei der prominente Berliner Architekturjournalist Dankwart Guratzsch zitiert, der noch 2003 in Braunschweig – wenn auch mit starken Bedenken – für die Rekonstruktion des Ottmerschlosses votiert hatte. Im Jahre 2007 aber lautet sein Fazit: „Braunschweig ist das größte, spektakulärste und sicherlich anstößigste Beispiel für die Ehe zwischen Fürstensitz und Handelsmaschine. Wenn das Braunschweiger Beispiel eines für sich hat, dann dies: Es diskreditiert Projekte dieser Art so gründlich, dass niemand wagen kann, sie noch einmal vorzuschlagen.“

Man kann nur begrüßen, dass jetzt, nachdem die örtlichen Auseinandersetzungen um das Für und Wider der Schlossarkaden an Schärfe verloren haben, durch eine versachlichte Diskussion bislang unterdrückte Fakten zur „Schlossrekonstruktion“ an die Öffentlichkeit gelangen können. In dieser Beziehung ist Herrn Richard Borek eine klare Absage zu erteilen, wenn er respektlos fordert, die Kritiker der Schlossarkaden sollten sich nicht mehr öffentlich äußern. Ganz im Gegenteil: Es bedarf dringend einer offenen und ehrlichen, klärenden Auseinandersetzung, um das Zustandekommen des „Schlosskaufhauses“. Viele Fakten wurden bislang noch nicht publik gemacht wie beispielsweise die Abweichung des Standorts des Nachbaus von dem des Originals um etwa sechs bis acht Meter nach Norden (belegt durch die historisch-synoptische Stadtkarte von 2010) oder die zahlreichen falschen beziehungsweise qualitativ unzureichenden Details der Rekonstruktion, die bei einem Vergleich mit den entsprechenden Fotos vom Original erkennbar werden. Sie verunglimpfen in einem erheblichen Maß das baukünstlerische Werk des Architekten Ottmer.

Bevor man mit hellseherischem Optimismus darüber spekuliert, wie das „Schloss“ irgendwann einmal den fetten Schmarotzer auf seinem Rücken abschütteln kann, sollte man besser nüchtern bilanzieren, wie hoch die Kosten für die notwendigsten der möglichen Reparaturen zur Verbesserung der von Fachleuten völlig zu Recht als minderwertig eingestuften Rekonstruktion anzusetzen sind. Lässt man dabei den Maßstab gelten, den sich die Rekonstrukteure beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche auferlegt haben, wird es sich um einen immensen Betrag handeln müssen. Es sei nur daran erinnert, dass für die Rekonstruktion der Frauenkirche etwa das Zehnfache der Summe ausgegeben wurde, die für die Teilnachstellung des Residenzschlosses zur Verfügung stand. Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Rekonstruktionen auch in ihrer Qualität.

Alfred Walz, Braunschweig