Flensburg. Ein bisschen ungewohnt ist die neue Popularität immer noch. Neulich auf einem Flughafen, wo eine Gruppe von Leuten wartete, da dachten die Bandmitglieder von Santiano: «Da stören wir bloß.»

Doch die wartenden Menschen wollten ja gerade gestört werden - sie warteten auf die Band und stürmten auf sie zu, als sie die Männer erkannt hatten. «Scheiße, die meinen uns», habe er gedacht, erinnert sich Björn Both. Der Erfolg der Fünf-Mann-Combo aus Schleswig-Holstein ist eben doch noch recht frisch.

Vor zwei Monaten kam das Album «Bis ans Ende der Welt» mit Seemannsliedern in Pop-Verkleidung heraus. Es stürmte an die Spitze der Albumcharts, momentan liegt es immer noch in den Top Ten. In der vergangenen Woche gab es Gold, ein Fernsehauftritt jagt den nächsten, die Tour beginnt im Mai. Der plötzliche und enorme Erfolg «hat uns hintenübergeschmissen», gibt Hans-Timm Hinrichsen zu. «Vorher waren die Top Ten nie ein Thema. Von so was träumt man nicht, das passiert.»

Die fünf Männer zwischen Mitte 40 und Anfang 60 waren alle lange in der Branche aktiv, bevor sie sich auf einem Fest bei ihrem jetzigen Produzenten trafen. Irgendwann spielten sie zusammen Seemannslieder, «die Stimmen passten wie Faust auf Auge», erzählt der graubärtige Both. «Fünf Kapitäne» hätten sich getroffen, Zufall, wer weiß? Der Name Santiano geht auf ein Shanty aus dem 19. Jahrhundert zurück, in dem es um den mexikanischen General Santiano ging, erklärt Pete Sage. Er ist mit 62 Jahren Oldie der Gruppe und stand schon mit Größen wie Mike Oldfield und Marius Müller-Westernhagen auf der Bühne.

Die Schleswig-Holsteiner vereinen nun Enkel und Großväter vor den Bühnen. Polarisieren sie? «Absolut», findet der 46-jährige Both. Aber wenn die verschiedenen Generationen «nebeneinanderstehen und das gleiche Ding feiern, ist doch geil». Das Maritime ist den Männern aus dem meerumschlungenen Bundesland vertraut, Sage fährt mit Schiffen aus dem Flensburger Museumshafen und liebt alte Segelschiffe. Der «Blanke Hans», die Nordsee, das sei bei ihnen dicht unter der Oberfläche, sagt Both. Die Nähe zu diesen Themen «macht das Ganze einfacher zu performen», findet Axel Stosberg, der auch als Schauspieler etwa am Ohnsorg Theater tätig ist. «Das sind wir.» «Ich hätte mich geärgert, wenn das jemand anders gemacht hätte», wirft Both ein.

Und das Erfolgsgeheimnis - ist das die neue Heimatliebe in Zeiten der Globalisierung? Nö, finden die Herren. Bei ihnen gehe es eben um die wirklich wichtigen Dinge. «Sturm, Flaute, Abschied, Sehnsucht, peng!» Both ist sich sicher: «Das hat sich vor 3000 Jahren so angefühlt wie heute.» «Fernwehromantik» sei vielleicht auch dabei, glaubt Sage. Das Gefühl, «ich lass' den Scheiß an der Pier liegen», meint Both. Auch wenn natürlich klar sei, das ist eine Illusion. (dpa)

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