Braunschweig. In letzter Zeit ist ja viel vom inneren Kind die Rede. Unsere Kolumnistin rät: Hören Sie ab und zu auch mal auf Ihren inneren Opa!

„Alt wie ein Baum möchte ich werden/mit Wurzeln, die nie ein Sturm bezwingt/alt wie ein Baum, der alle Jahre so weit, weit, weit, weit/Kindern nur Schatten bringt.“ Puhdys

Gratuliere! Wenn Sie den Bauch etwas stärker einziehen, das Atmen am besten ganz einstellen, dann passen die weißen Jeans von damals wie angegossen. Irgendwas stimmt trotzdem nicht. Könnte am weiten Schlag liegen. Oder am Gesicht.

Ach ja, jung müsste man noch mal sein! Im Ernst? Wieso eigentlich? 40, 50, 60, 70 Jahre mit all ihren Höhen und Tiefen lassen sich ja nun nicht einfach so verleugnen. Wenn Sie einen knorrigen, uralten Baum sehen, sind Sie doch auch ganz aus dem Häuschen: Wow, wie prächtig, tief verwurzelt, unverwundbar, erhaben! Was der schon alles erlebt haben muss!? Mit unserer Spezies gehen wir meist nicht so freundlich ins Gericht: „Ganz schön verknittert, die Alte.“ Oder: „Der hat seine besten Tage auch schon hinter sich.“

Jungsein gilt als Maß aller Dinge. Vielleicht mehr denn je. Kein Wunder, dass Botox, Hyaluron, Hormonpillen, Antioxidanzien, Schönheitschirurgie und der ganze Quark so hoch im Kurs stehen. Anti-Aging ist ein Riesentrend – und ein Riesengeschäft. Das macht es einem so verdammt schwer, dem Ideal des junggebliebenen Best Agers trotzig den arthritischen Stinkefinger zu zeigen.

Während Krethi und Plethi, die ollen Hobbypsychologen, seit neuestem ihr inneres Kind verhätscheln, sollte man vielleicht gerade jetzt einen Gegentrend setzen: Hören Sie ab und zu mal auf Ihren inneren mürrischen Alten, der gar keinen Bock auf Jugendwahn und Am-Ball-Bleiben hat, sondern auf Frankfurter Kranz zum Kaffee, Mittagsschläfchen und Canasta. Das hat nämlich auch was mit Selbstliebe zu tun.