„Das war im Zeitalter der moralischen Erweckung zu erwarten.“

Wie kann man eine solche Vorlage nur vergeigen? Frank Schätzings „Der Schwarm“ von 2004 war ein Weltbestseller – übersetzt in 27 Sprachen, sechs Millionen Mal verkauft. Der Wissenschaftsthriller voller Actionszenen, spektakulärer Umweltkatastrophen und tragischer Liebesbeziehungen liest sich ohnehin wie das Buch zum Film. Und trotzdem geht die ZDF-Miniserie zum Roman baden. Das liegt nicht nur an der brachialen politischen Korrektheit, die wirkt, als habe man eine von Diversitätsaktivisten vorgelegte Checkliste abgearbeitet. Da gibt es einen schwulen muslimischen Meeresforscher. Aus dem grauhaarigen weißen Norweger Dr. Sigur Johanson, der eine Affäre mit einer deutlich jüngeren Frau hat (pfui!) und ein bisschen an den nicht ganz uneitlen Autor erinnert, wird ein schwarzer Mann im besten Alter. Aus dem real existierenden Meeresgeologen Gerhard Bohrmann wird die fiktive Katharina Lehmann. Auch der französische Molekularbiologe bekommt das Y-Chromosom entfernt. Samantha Crowe, eine Verbeugung Schätzings vor der Astronomin Jill Tarter, wird schwarz und lesbisch. Offenbar reicht es nicht, jahrelang das SETI-Institut zur Suche nach außerirdischem Leben zu leiten, zu einer der 50 bedeutendsten Frauen der Wissenschaft gewählt zu werden und Inspiration für eine ganze Generation von Astrophysikerinnen zu sein, um sich einen Platz in der Verfilmung zu verdienen. Nicht erarbeitete Identitätsmerkmale sind wichtiger. Das war im Zeitalter der moralischen Erweckung zu erwarten. Um den Schwarm in den Tiefseesand zu setzen, musste man die Serie aber erst zum internationalen Vorzeigeprojekt unter deutscher Führung machen. Bei amerikanischen Serien beraten Showrunner und Drehbuchautoren gemeinsam im „Writer’s Room“, wie man eine unterhaltsame Show schreibt. Über die Arbeit mit den vielen Partnern beim „Schwarm“ hingegen sagte die Regisseurin Barbara Eder: „Besprechungen erinnern mitunter an eine Sitzung des Europäischen Parlaments.“ Das tut die Serie auch. Deutschland hat den Hut auf, also werden mehrere deutsche Figuren neu erschaffen. France Télévisions gibt viel Geld, also wird die Rolle der französischen Protagonistin aufgewertet. Hulu Japan ist mit an Bord, also wird ein völlig sinnloser Japan-Plot dazugeschrieben. Zudem hat das ZDF die Serie in eine Kooperation mit der Unesco eingebunden und zum Teil eines Bildungspakets zur UN-Dekade für Ozeanforschung gemacht. Warum interessiert sich der Rest der Welt nicht sonderlich für deutsche Filme?“, fragt der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert und gibt selbst die Antwort: „Weil deutsche Drehbuchautoren in erster Linie ihren alten Sozialkundelehrer beeindrucken wollen. Man macht in unserem Land keine Unterhaltung, man macht ‚Kultur‘.“ Ja, dass sie gute Unterhaltung geschaffen hätten, kann man den Machern des TV-Schwarms wirklich nicht vorwerfen.