„McDonald’s oder BMW schmücken sich mit Regenbogenlogos – dort, wo sie mit dieser ebenso kosten- wie folgenlosen Geste Imagepunkte sammeln können.“

Juni ist „Pride Month“. Die Regenbogenfahne grüßt allüberall von Internetseiten, bunt bemalten Firmenlogos und öffentlichen Veranstaltungen. Ich kann zwar nicht nachvollziehen, warum man stolz auf seine sexuelle Gesinnung sein sollte, aber den Hintergrund des „Pride Month“ verstehe ich: Im Juni 1969 lehnten sich Homosexuelle vor dem Stonewall Inn in New York gegen die Schikanen der Polizei auf und traten damit die Bürgerrechtsbewegung für sexuelle Minderheiten los. Darauf und auf das, was sie am Anschluss erreicht haben, kann man sehr wohl stolz sein. In Deutschland wurde Paragraph 175 des Strafgesetzbuchs, der Homosexualität unter Männern kriminalisierte, 1994 abgeschafft. 2017 wurde die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt.

Nicht nur durch die Rechtslage, sondern vor allem durch einen gesellschaftlichen Wandel haben viele Menschen in Ländern der westlichen Welt mittlerweile zu der biologischen Tatsache aufgeschlossen, dass Homosexualität normal ist. Ob es notwendig und sinnvoll ist, diese Normalität jedes Jahr einen Monat lang durch besondere, teils penetrante Betonung wieder zu konterkarieren, darüber ließe sich streiten. Eindeutiger ist die Sache bei internationalen Konzernen, die nur zu gerne auf den Trend aufspringen, um billiges Moralmarketing zu betreiben. So schmücken McDonald’s oder BMW zurzeit ihre Twitter-Kanäle mit wunderschönen Regenbogenlogos – zumindest dort, wo sie mit dieser ebenso kosten- wie folgenlosen Geste Imagepunkte sammeln können. Bei den Kanälen für Saudi-Arabien oder die Arabischen Emirate sucht man das Farbenspiel jedoch vergebens. Dabei wäre das die Nagelprobe dafür, was das Engagement der Unternehmen wirklich wert ist. In den angesprochenen Ländern droht Homosexuellen die Todesstrafe. Dagegen ein Zeichen für Toleranz zu setzen, wäre tatsächlich mutig, weil nicht nur mit Applaus zu rechnen wäre. So bleibt es heuchlerischer Gratismut – so wie wenn das Münchner Stadion beim Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn bunt beleuchtet wird. Viele Unternehmen setzen auf Moral, solange es opportun ist. Disney rühmt sich damit, Star Wars, das Heiligtum weißer Science-Fiction-Nerds, diversifiziert zu haben. Aber da das Publikum in China nicht so gern schwarze Gesichter sieht, wurden die schwarzen Schauspieler auf den chinesischen Postern für Episode 7 der Filmreihe verkleinert oder gleich ganz entfernt. Die Botschaft: Ethnische Diversität ist uns total wichtig – solange sie uns nicht schadet.

Übrigens steht auch beim diesjährigen WM-Gastgeber Katar Homosexualität unter Todesstrafe. Wenn die deutschen Fußballer es ernstmeinen mit ihrem Engagement für sexuelle Vielfalt, sollte Manuel Neuer dort seine regenbogenfarbene Kapitänsbinde tragen, nicht in München. Und wenn er beim Einlaufen ins Stadion Joshua Kimmich oder einen anderen Mannschaftskameraden an die Hand nimmt und ihm nach der Nationalhymne ein Küsschen gibt, dann werde auch ich aufstehen und applaudieren.