„Das Beimischen von Bioethanol ins Benzin war schon Unsinn, als es eingeführt wurde, und sollte nun erst recht abgeschafft werden.“

Ernten machen Geschichte“, lautet der Titel eines Buches von Hans-Hermann Cramer. Darin schildert der Forstwissenschaftler beispielsweise die Wichtigkeit des Agrarhandels für das alte Rom oder die weltpolitischen Auswirkungen der „Kartoffelpest“ in Irland zwischen 1845 und 1849.

Doch um die fundamentale Bedeutung der Landwirtschaft für die Menschheit zu verstehen, reicht ein Blick auf die Gegenwart. Denn Putins Panzer und Raketen zerstören nicht nur Menschenleben und Gebäude in der Ukraine, sie graben auch schwarze Erde um.

Bei dieser Schwarzerde handelt es sich um die fruchtbarsten Böden der Welt. In Deutschland findet man sie zum Beispiel in der Magdeburger Börde und auch im Harzvorland. In der Ukraine allerdings gibt es nicht nur vereinzelte Flecken solcher Böden: Das Land verfügt über ein Viertel des weltweiten Volumens von Schwarzerde – mehr als jedes andere Land Europas.

Die ganze Region ist damit gesegnet, was sie zum landwirtschaftlichen Vorzugsstandort macht. Die Ukraine und Russland stemmen zusammen 29 Prozent des globalen Weizenexports, 19 Prozent des Maisexports und rund 80 Prozent des gehandelten Sonnenblumenöls. Entsprechend wirkt sich der Krieg aus: In deutschen Supermärkten steigen lediglich die Lebensmittelpreise, andere Länder hingegen sind abhängig von Weizenlieferungen aus der Schwarzmeerregion.

Das betrifft unter anderem Nordafrika und den Nahen Osten. Als die Ukraine 2010 seine Weizenexporte drosselte, stiegen die Brotpreise in der arabischen Welt. Zwei Monate später brach in Tunesien die erste Revolution des „Arabischen Frühlings“ aus. Heute liegt der Weizenpreis 70 Prozent höher als noch vor einem Jahr.

Putin setzt offenbar Weizen als Waffe ein: Er lässt ukrainische Silos und Hafenanlagen zum Verladen von Getreide bombardieren. Die russische Marine beschießt im schwarzen Meer Schiffe, die unter der Flagge Panamas Weizen transportieren. Aus dem Hafen von Berdjansk hat sie fünf voll beladene Getreidefrachter geklaut. Das Ziel ist die Destabilisierung des Westens. Kommt es in Afrika zu Hungersnöten, wie das UN-Welternährungsprogramm befürchtet, droht Europa eine weitere Flüchtlingskrise. Und Putin kann auf volle Lager in Russland verweisen und beklagen, dass die Sanktionen ihn vom Helfen abhielten.

Die EU muss darauf reagieren. Greenpeace spricht den Konflikt zwischen Trog und Teller zwar gewohnt unterkomplex an – nicht jedes Getreide ist zum Backen geeignet, und auch Weizen gibt es in unterschiedlicher Qualität – aber eine weniger fleischhaltige Ernährung könnte einen Beitrag zur Stabilisierung der Getreidepreise leisten. Das Beimischen von Bioethanol ins Benzin war schon Unsinn, als es eingeführt wurde, und sollte nun erst recht abgeschafft werden. Und auch wenn es schmerzt: Die Sanktionen gegen Russland sollten Lebensmittelexporte aussparen – und sei es nur, um Putins Propaganda zu untergraben.

Der Autor ist Pressereferent einer Forschungseinrichtung.