Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Die Vorstellung ist weit verbreitet - aber falsch.

Die zehn reichsten Männer der Welt haben in der Pandemie ihre Vermögen verdoppelt. Das meldete die internationale Hilfsorganisation Oxfam kürzlich in einer vielzitierten Pressemitteilung. Zugleich träfe Covid-19 die Armen besonders hart. „Ungleichheit tötet“, so Oxfams ebenso knackige wie falsche Schlussfolgerung.

Denn nicht Ungleichheit tötet, sondern Armut. Oxfam betrachtet Wirtschaftswachstum als ein Nullsummenspiel: Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren. Eine verbreitete Vorstellung – laut einer Umfrage des Instituts Allensbach (2019) stimmten 48 Prozent der Befragten der Aussage zu „Je mehr die Reichen haben, desto weniger bleibt für die Armen übrig“ (lediglich 42 Prozent widersprachen).

Im ehemals sozialistischen Ostdeutschland hängen sogar fast 60 Prozent diesem Irrglauben an. Dabei steht die Realität des globalen Wirtschaftswachstums dem entgegen. Es reicht ein Blick nach China. Wie üblich in kommunistischen Staaten zeichnete sich die Diktatur dort vor allem dadurch aus, dass sie die Armut möglichst breit verteilte. 1981 waren 88 Prozent der Bevölkerung extrem arm – ein Paradies der Gleichheit (natürlich mit Ausnahme der Parteibonzen). Unter dem Motto „Lasst einige zuerst reich werden“ ermöglichte Deng Xiaoping in seinen Reformen schließlich Privateigentum an Produktionsmitteln und die Entstehung kapitalistischer „Sonderwirtschaftszonen“. 2015 waren noch 0,7 Prozent der Bevölkerung extrem arm. Dieser beispiellose Wohlstandszuwachs basierte nicht auf Plünderung und Raub. Der zu verteilende Kuchen wurde nicht einfach umverteilt, er ist gewachsen. Und gerade die von Oxfam verteufelten Milliardäre sind kein gutes Beispiel für Reichtum auf Kosten anderer. Die meisten sind „Selfmade“-Unternehmer. Wenn die gehobene Mittelschicht in Deutschland und den USA Teslas kauft, macht das Elon Musk reicher, aber keinen Afrikaner ärmer. Sergey Brin, Larry Page, Larry Ellison und Bill Gates haben Software entwickelt, die in vielen Branchen gewaltige Produktivitätssteigerungen ermöglichte. Der Letztgenannte motiviert übrigens andere Superreiche dazu, ihr Vermögen wie er selbst nahezu vollständig für wohltätige Zwecke einzusetzen.

In Deutschland sind die Biontech-Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci zu Milliardären geworden, indem sie vermutlich Millionen Menschen mit ihrem Impfstoff das Leben retteten. Ein Kolumnisten-Kollege von der „New York Times“, der dreifache Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman, schreibt dazu: „Wir haben zurückgeschlagen mit unseren einzigen Werkzeugen, die so groß und mächtig sind wie Mutter Natur – Vater Profit und neue Technologien.“ Er wünsche den Erfindern „einen Arsch voll Geld“, denn das werde andere motivieren, sich in ähnlicher Weise dem Klimawandel zu widmen.

Die Geschichten von Şahin, Türeci oder Elon Musk inspirieren. Das einzige, was die falsche Erzählung vom Nullsummenspiel auslöst, ist Neid – und die Beschränkung darauf, den Kuchen umzuverteilen, statt ihn zu vergrößern.