Das „Wunder von Lengede“ begleitet mich nicht erst, seit ich als Redakteur bei den Peiner Nachrichten für Lengede zuständig bin. Schon in der Grundschule tauchte es in einem Buch auf, mit dem wir üben sollten, längere Texte zu lesen.

Das wegen der Rettung einiger Bergleute aus der Tiefe damals weltweit in den Medien begleitete „Wunder von Lengede“ ist eigentlich ein großes Unglück. 29 Bergleute überlebten es nicht. Einige von ihnen liegen immer noch im Berg, sie konnten nicht geborgen werden.

Wenn man mit Menschen in Lengede spricht, wird schnell deutlich, dass für viele der Tod der Bergleute vor dem Wunder der Rettung steht. „Es ist dieser Nebel...“, murmeln einige vor sich hin, die am 24. Oktober 1963 vor Ort waren, als das Unglück geschah, der eingebrochene Klärteich 12 das Grubengebäude flutete und die Bergleute unter Tage einschloss. Damals lag schwerer Nebel über Lengede.

Es sind keine guten Erinnerungen. Die hat auch Adolf Herbst nicht. Denn er gehörte damals zu der Gruppe der Bergleute, die erst nach 14 scheinbar hoffnungslosen Tagen aus der Tiefe gerettet werden konnten.

Und er war nicht mal Bergmann! Erstmals war er „eingefahren“ in ein Bergwerk. Als Elektriker, der unten die Pumpe umbauen sollte, damit sie automatisch anspringt, um die damals schon bekannten Wassereinbrüche in den Griff zu bekommen. Adolf Herbst machte eine Doppelschicht, denn er wollte am nächsten Tag für seine Verlobung frei haben. Dann stürzte das Wasser in den Berg, tötete einige sofort, schloss andere ein.

Adolf Herbst hat seine Geschichte, die seiner Rettung, schon so oft erzählt. Auch ich kenne sie. Doch es ist jedes Mal wieder bewegend, mit ihm darüber zu sprechen, was damals unten geschah.

Ein paar Dinge erzählt er nicht. „Da habe ich meine Blackbox, die mache ich nicht auf“, sagt er. Auch oder gerade als Journalist respektiere ich das. Und auch das, was er erzählt, schreibe ich nicht alles.

Es beeindruckt mich aber auch, wie man nach so einem Erlebnis – 14 Tage im Berg, ohne Licht, ohne Essen, am Ende fast ohne Hoffnung – noch ein halbwegs normales Leben führen kann. Adolf Herbst kann es. „Der Glauben hat mir damals geholfen und das ist bis heute so“, sagt der 78-Jährige.

Das Foto, das ihn zeigt, als er durch die großartige und mutige Rettungsaktion vieler Helfer mit Herz aus der Tiefe wieder ans Tageslicht kommt, ging um die Welt. Auch das, auf dem ihn seine Dagmar voller Erleichterung küsst. Sie ist heute noch an seiner Seite. Auch das gibt Adolf Herbst Kraft.

75 Jahre Braunschweiger Zeitung

Dieser Text ist Teil unseres großem Themenschwerpunktes zum 75-Jährigen Bestehen der Braunschweiger Zeitung.

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