Meine ersten Berufsjahre habe ich in der Lokalredaktion Peine verbracht. Ab dem Jahr 2000 war ich dort unter anderem für die Gemeinde Wendeburg zuständig. Dort habe ich Kommunalpolitik von der Pike auf kennengelernt, zahllose Abende bei Orts- und Gemeinderatssitzungen verbracht und mich mit Themen wie Bauland- und Kitabedarfsplanung auseinandergesetzt. Viel Klein-Klein, aber eine wichtige Erfahrung, wie die Basis unseres Gemeinwesens funktioniert.

Zumal ein außergewöhnliches Thema aufkam, auf das ich mich mit Feuereifer stürzte und das schließlich die ganze Gemeinde elektrisierte. Es war das Projekt Regiostadtbahn, das die damalige Spitze des Großraumverbands Braunschweig angestoßen hatte: Regionalzüge von Helmstedt bis Harzburg sollten direkt ans Braunschweiger Straßenbahnnetz angeschlossen werden. Eine visionäre Idee, die große Investitionen der beteiligten Kommunen erfordert hätte, allerdings mit millionenschweren Zuschüssen des Bundes.

Auch Wendeburg sollte dabei sein, durch Reaktivierung einer seit Jahrzehnten still gelegten Bahntrasse nach Braunschweig. Die direkte Anbindung ans Oberzentrum war eine Riesenchance für die Entwicklung der Gemeinde, für Pendler, Schüler, Ausgehlustige. Politik und Verwaltung sahen das einmütig so. Es gab aber auch Gegenstimmen, befeuert von Anwohnern der Trasse, die um ihre Ruhe fürchteten. Um sie bildete sich eine Bürgerinitiative, die argumentierte, der etwa zehnprozentige Anteil der Gemeinde an den Anschlusskosten sei zu hoch. Plötzlich waren die Ratssitzungen voller Interessierter aus der Bürgerschaft. Eine Initiative „Pro Zug-kunft“ bildete sich, die großen Zulauf hatte. Es wurde heftig debattiert, bei überfüllten Diskussions-Veranstaltungen mit Planern des Großraumverbands, die unsere Zeitung mitorganisierte, es gab über Monate zahllose Leserbriefe, Artikel pro und contra und schließlich sogar einen Bürgerentscheid, bei dem sich eine große Mehrheit der Wendeburger für den Anschluss aussprach.

Am Ende wurde nichts daraus. 2010 wurde das gesamte Projekt Regiostadtbahn wegen zu hoher Kosten beerdigt und lediglich eine etwas höhere Taktung von Regionalzügen umgesetzt. An den Wendeburgern lag das nicht, sondern an mangelndem Enthusiasmus in der Stadt Braunschweig, beim Land, bei Entscheidern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft. Heute wäre das vielleicht anders. Von Klimawandel sprach damals noch niemand, auch in Wendeburg nicht – und doch waren die Wendeburger ihrer Zeit voraus.