Als junger Fußballer träumte ich lange Zeit von einer Bundesliga-Karriere. Nun, ganz so talentiert, wie ich dachte, war ich dann doch nicht. Über die vierte Liga ging es nicht hinaus. Aber immerhin beruflich schaffte ich den Sprung ins deutsche Fußball-Oberhaus. 13 Jahre lang berichtete ich als Sportredakteur für unsere Zeitung regelmäßig über den VfL Wolfsburg – und erlebte einen Tag, von dem ich eines Tages hoffentlich noch meinen Enkeln erzählen werde.

Der 23. Mai 2009 toppt alles, was ich während meiner mehr als 20-jährigen Arbeit als Redakteur erlebt habe. Der VfL Wolfsburg, wer hätte das jemals auch nur in den kühnsten Träumen für möglich gehalten, feierte die deutsche Meisterschaft. Nach dem 5:1-Heimsieg am 34. Spieltag gegen Werder Bremen in der mit 30.000 Zuschauern ausverkauften VW-Arena brachen alle Dämme. Die Stadt erlebte eine unvergessliche Party bei schönstem Sommerwetter. Mehr als 100.000 Menschen sollen an dem Tag in der City unterwegs gewesen sein, um die grün-weißen Helden um Grafite, Dzeko, Misimovic, Benaglio und Schäfer zu feiern. Nach dem Abpfiff lag ich mir mit meinem Kollegen Christian Buchler auf der Pressetribüne in den Armen. Jegliche journalistische Neutralität war in diesem Moment vergessen. Wir hatten Historisches hautnah miterlebt. Wie in einem Film nahm ich die auf den Platz stürmenden Fans und später die Übergabe der Meisterschale an VfL-Kapitän Josué wahr.

Am späteren Abend bezog ich meinen Posten im Ritz-Carlton, wo im Anschluss an die Meisterfeier auf dem Rathausplatz das große Meisterbankett und die Live-Sendung des ZDF-Sportstudios stattfanden. „Sie auch hier, Herr Kutscher?!“, sagte Meistertrainer Felix Magath bei seinem Eintreffen scherzhaft. Ich drückte ihm unsere Sonderausgabe zur Meisterschaft in die Hand, die bereits am Abend in der Stadt verteilt worden war, und ließ ein Erinnerungsfoto machen. Später sah ich Magath noch einmal wieder. Um 1.45 Uhr fuhr er mit seiner Ehefrau am Kolumbianischen Pavillon im Allerpark vor, wo die exklusive VfL-Party stieg. Zutritt für Journalisten verboten, nur geladene Gäste. Um 1.48 Uhr verließ er sie schon wieder. Zusammen mit anderen Kollegen harrte ich noch bis nach drei Uhr aus, um Stimmen der Meisterspieler zu erhaschen. Kurz vor Morgengrauen endete der anstrengendste, aber auch schönste Dienst meiner Karriere.