Geht in Deutschland bald das Licht aus? Wie Professor Jürgen Kuck von der Ostfalia-Hochschule kürzlich im Interview mit dieser Zeitung erläutert hat, ist ein katastrophaler Stromausfall nicht mehr so abwegig, wie es im stets sicher versorgten Deutschland scheinen mag. Dabei dürfte das eigentlich nicht überraschen: Wer ein verlässliches Grundlast-Kraftwerk nach dem nächsten abschaltet und durch Anlagen ersetzt, die in ihrer Produktion von Wind und Wetter abhängig sind, bekommt eine volatile Stromversorgung. Daran ändern auch Jubelmeldungen nichts, denen zufolge 2020 die Erneuerbaren 46 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt hätten. Solche Jahresgesamtwerte haben nur eine beschränkte Aussagekraft. Strom muss da sein, wenn er gebraucht wird, sonst droht der Blackout. Durchschnittswerte bringen herzlich wenig, wenn genau jetzt die Nachfrage steigt, aber genau jetzt der Himmel bedeckt ist und kein Wind weht. Dann muss der fehlende Strom importiert werden – und das kann richtig teuer werden.

Warum Deutsche die höchsten Strompreise der Welt zahlen, zeigt ein Blick auf den Strommarkt der ersten Augustwoche. Ab Dienstag, 3. August, herrschte drei Tage lang Flaute. Die Windkraft lieferte magere 3,7 bis 8,7 Prozent der Stromproduktion. Die Photovoltaik steuerte relativ stabil rund 17 Prozent bei. Fürs Stopfen der Versorgungslücke stellten uns unsere Nachbarstaaten für ihren Kohle- und Atomstrom zwischen etwa 80 und 120 Euro pro Megawattstunde in Rechnung. Am Wochenende sank dann wie üblich die Nachfrage – bei Zunahme des Angebots. Sonnenschein und ordentlich Wind ließen den Anteil der Erneuerbaren an der Gesamtstromerzeugung bis zum Sonntag auf knapp 72 Prozent hochschnellen. Da zur Sicherung der Stabilität des Netzes die Konventionellen zusätzlich immer ein gewisses Grundniveau liefern müssen, war viel zu viel Strom im Markt. Die Folge: Die Preise rauschten zu Boden – und durch ihn hindurch. Deutschland musste an diesem Tag 167,5 Gigawattstunden Überschuss loswerden und zahlte drauf: 1,34 Millionen Euro. Das ist die Realität der Energiewende. Klar, es ist ein Extrembeispiel. Aber wie die Wochenanalysen des Journalisten Rüdiger Stobbe belegen, handelt es sich um ein wiederkehrendes Muster: Deutschland exportiert zu niedrigen Preisen, wenn Überschuss herrscht (mittags), und kauft teuer in Mangelzeiten (morgens und abends). Wenn man weiterhin „den zweiten Schritt vor dem ersten“ macht, wie Professor Kuck es ausdrückt, und wie Armin Laschet in seinem „Energiemasterplan“ in der „Welt“ mangels wirtschaftlicher Stromspeicher nebulös auf künftige „Energieinnovationen“ setzt, während zugleich Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet und Erneuerbare ausgebaut werden, wird sich das Problem nur verschärfen. Indes geht auch ohne Blackout mancherorts bereits das Licht aus: 2019 wurde knapp 300.000 Haushalten in Deutschland der Strom abgestellt – weil sie die Rechnung nicht zahlen konnten.

Der Autor war früher Redakteur dieser Zeitung und ist Pressereferent einer Forschungseinrichtung