Heute lenken Politiker wieder davon ab, dass Missmanagement einen handfesten Einfluss auf die Katastrophe im Westen Deutschlands hatte.

Malu Dreyer (SPD), die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, war sich nach der Flutkatastrophe sicher: „Wir erleben den Klimawandel hautnah und schmerzhaft“. Ähnlich äußerte sich parteiübergreifend eine ganze Reihe von Politikern. Alle machten deutlich: Schuld ist der Klimawandel, der Starkregen in nie gekanntem Ausmaß gebracht habe. Dabei hatte es an der Ahr 1910 und 1804 ähnliche Überschwemmungen gegeben. Auch das verwüstete Bad Münstereifel hat in der Geschichte mehrfach ähnliche Katastrophen erlebt. Und die Rolle des Klimas ist keinesfalls so klar, wie nun überall behauptet wurde. Laut Nationalem Klimareport des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lassen sich für den Sommer bisher „keine Trends der Anzahl von Tagen mit hohen Niederschlagsmengen identifizieren“. Auch das Umweltbundesamt (UBA) kann in seinem „Monitoringbericht 2019“ keinen signifikanten Trend bei den Hochwassertagen feststellen. Wärmere Luft kann mehr Wasser aufnehmen – gemäß der Clausius-Clapeyron-Beziehung sieben Prozent mehr pro Grad Celsius. Aber dass deswegen für die Zukunft die Gefahr von Starkregenereignissen tatsächlich steigt, ist ebenso irrelevant für die Frage, wie mit der aktuellen Flut umgegangen wurde, wie die Feststellung des UBA, dass „ein einzelnes Hochwasserereignis (…) sich nicht mit dem Klimawandel erklären (lässt).“ Nicht nur, dass es bekannte Risikogebiete getroffen hat, es war auch eine Katastrophe mit Ansage. Entsprechend platzte dem Meteorologen Jörg Kachelmann der Kragen, als NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) behauptete, die Katastrophe sei nicht vorhersehbar gewesen. „Lügner“, schrieb Kachelmann bei Twitter. Sowohl sein eigener Wetterdienst wie auch der DWD hatten Tage vorher vor Hochwasser gewarnt. Doch anders als der Regen versickerte diese Information auf halbem Weg zum Ziel. Die „Tagesschau“ warnte halbherzig, im „Heute Journal“ war von „ergiebigem Regen“ die Rede, und der WDR versagte gänzlich beim Informieren des eigenen, beitragspflichtigen Publikums. Als Kalifornien 2020 von verheerenden Waldbränden heimgesucht wurde, machte der Gouverneur den Klimawandel verantwortlich. Dabei lag die Ursache vor allem in falschem Forstmanagement. Heute lenken Politiker wieder davon ab, dass Missmanagement einen handfesten Einfluss auf die Katastrophe hatte. Das reicht von Flussbegradigungen über Bodenversiegelung, dem Verschwinden von zwei Dritteln aller Auen in Deutschland und dem Bebauen von Überflutungszonen bis zum Katastrophenschutz. Die Hydrologin Hannah Cloke vom Europäischen Hochwasserwarnsystem spricht angesichts ausgebliebener Warnungen und Evakuierungen von einem „monumentalen Versagen“ der Behörden in Deutschland. „Der Katastrophenschutz bei uns ist auf dem Stand eines Entwicklungslandes“, schreibt der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski in der „Welt“. Dass dies so ist, hat gar nichts mit dem Klimawandel und viel mit schlechter Politik zu tun.

Der Autor war Redakteur dieser Zeitung und ist Pressereferent des Julius-Kühn-Instituts.