„Da sieht man’s wieder: Was wären wir ohne Redewendungen?“

Eine nette Lehrerin möchte nun ihren Schülern anhand einer digitalen Foto-Manipulation ins natürlich ebenfalls digitale Abitur-Stammbuch schreiben, sie sollten immer gut darauf achten, dass ihnen „kein X für ein U“ vorgemacht würde. Vorher aber fragte sie mich um Rat: Ob die Schüler diesen Ausdruck wohl verstünden?

„Na klar“, blaffte ich, „und sonst sollen sie halt nachschauen.“

Die gewiefte Lehrerin aber fragte weiter: Ob ich denn wisse, woher der Ausdruck kommt?

„Na klar“, blaffte ich, „öhhhhh, also wusste ich mal, von einem griechischen Buchstaben oder so.“

Bald stellte sich heraus: Meine Antwort war im Prinzip richtig, abgesehen von der Kleinigkeit, dass es nicht um griechische Buchstaben, sondern um römische Zahlen geht. Aus einem V (also U) konnte man durch zwei kleine, unten zu platzierende Striche ein X fabrizieren, wodurch – bei Rechnungen für einen Gastwirt sehr günstig – aus der Fünf flugs eine Zehn wurde.

Da sieht man’s wieder: Was wären wir ohne Redewendungen? In dem Lexikonartikel las ich, dass die Niederländer fürs An-der-Nase-Herumführen die schöne Formel „iemand knollen voor citroenen verkopen“ nutzen, während unsere Wendungen „verkohlen“ sowie „einen Bären aufbinden“ natürlich mal wieder Einladungen für Helden der Wortherleitung sind (das jiddische Wort „kolen“ heißt nämlich erzählen, das altdeutsche „bar“ bezeichnete eine Abgabe).

Apropos Helden: Falls eine oder einer der Noch-Beschult-Werdenden das mit dem X und dem U auf Anhieb erklären, also richtig römisch herleiten kann, ohne einen verkohlten Bären auf den Arm zu nehmen, dann ist sie oder dann ist er wirklich oberschlau. Oder hat, was natürlich noch toller wäre, diese kleine Kolumne gelesen.