In einer überalternden Gesellschaft aber brauchen wir nicht mehr Autos sondern mehr Pflege.

Eine Frage, die diese Krise deutlich aufwirft, ist die Frage nach der Zukunft der Arbeit. Sollten wir nicht im Grunde diejenigen besser beschützen, die die Arbeit leisten, anstatt sie durch Arbeit immer weiter auszubeuten und dadurch krank zu machen?

Bestimmte Berufsgruppen werden zwar beklatscht, sind aber noch immer nicht leistungsgerecht entlohnt und erhalten auch wenig Wertschätzung für ihre Mehrarbeit. Unser gesellschaftlicher Zusammenhalt gründet sich seit den Tagen des Wirtschaftswunders auf die Freiheit der Märkte und Unternehmerpersönlichkeiten, die durch ihre Unternehmungen dafür sorgten, dass wiederum Menschen in Lohn und Brot standen und dass Wohlstand für alle geschöpft wurde.

Deswegen galt in der Politik lange Zeit die Autoindustrie beispielsweise als Schlüssel und Garant für den Erhalt des Wohlstandes. Doch gilt dieser Maßstab noch in 2021? Seit Jahren steigen Renditen und Gewinne der Autoindustrie, was vor allem die Aktionäre und Investoren erfreut. Was aber in absehbarer Zeit nicht mehr erschaffen und benötigt wird, sind Arbeitsplätze in der Fertigung.

Doch in der Politik ist eine wachsende Volkswirtschaft noch immer ein Indiz für eine gesunde Gesellschaft. Deswegen ist es auch parteiübergreifend bisher kein großes Thema gewesen, dass unser Gesundheitswesen nach den Prinzipien Effizienz und Kostenoptimierung geführt wurde, zu Lasten jedoch von humanen Arbeitsbedingungen und gerechterer Entlohnung.

In einer überalternden Gesellschaft aber brauchen wir nicht mehr Autos sondern mehr Pflege. Trotzdem werden Pflegekräfte oftmals zu Überstunden genötigt und so schlecht bezahlt, dass sie nicht mal ihren Lebensunterhalt damit bestreiten können. Die Autoindustrie jedenfalls wird über kurz oder lang immer weniger Menschen beschäftigen wollen, so dass sich diese Arbeitnehmer nach Alternativen werden umschauen müssen.

Aber wo gibt es noch neue Jobs? In der Logistik und im Service ist es üblich, dass alle prekär bezahlt sind. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist es daher elementar wichtig, dass die systemrelevanten Arbeitsgruppen, die inzwischen die wohl größte Last in unserer Gesellschaft tragen, auch angemessen behandelt und vor allem bezahlt werden. Eine Gesellschaft kann sich auf Dauer nicht leisten, die Bedingungen dieser Berufsgruppen so unattraktiv zu gestalten.

Nur mal angenommen, diese Menschen blieben allesamt nur eine Woche von der Arbeit fern. Wird etwas erst als wichtig wahrgenommen, wenn es weg ist? Wertschätzung muss zur Wertschöpfung werden und somit sollte der Diskurs über eine neue und gerechte Arbeitswelt der Zukunft mit erträglichen Arbeitsbedingungen und angemessener Entlohnung derer, die die Arbeit wirklich leisten, nicht weiter an den linken und rechten Rand gedrängt werden, denn diese Frage betrifft die Mitte der Gesellschaft. Damit Pflegende nicht zur Pflegefällen werden, weil sie an ihre gesundheitlichen Grenzen geraten.