“Je freier die Gesellschaft, desto deutlicher treten manche Geschlechterunterschiede hervor.“

Rainer Brüderle könnte sicher auch ein Dirndl füllen, und Christian Lindner beginnt mittlerweile jeden Tag mit Volker Wissing – nicht wie Sie jetzt denken. Ja, die verbalen Ausrutscher amtierender und Ex-FDP-Vorsitzender lassen die Partei nicht gerade als feministisches Bollwerk erscheinen. Doch die zuletzt auf dieser Seite zu lesende Ansicht, dass Niedersachsens Junge Liberale (JuLis) mit ihrem Grundlagenprogramm zum liberalen Feminismus auf das falsche Pferd setzen, weil diese Themen nicht zusammenpassen, vermittelt ein schiefes Bild von Feminismus (und Liberalismus).

Denn „der“ Feminismus ist keine einheitliche Bewegung, wie die Zuschreibung als „Sache der Grünen“ im erwähnten Kommentar nahelegt. Das belegt die Kontroverse um das Kopftuch und den Umgang mit Frauenfeindlichkeit in anderen Kulturen, wo die feministische Ikone Alice Schwarzer sich jüngeren, identitätspolitischen Aktivistinnen gegenübersieht. Ähnliche Konflikte gibt es um Transsexualität und die Bedeutung des biologischen Geschlechts, was zu einer regelrechten feministischen Hasskampagne gegen die Autorin der Harry-Potter-Romane und klassische Feministin Joanne K. Rowling geführt hat.

Vor allem kann Feminismus sich in seinen Methoden danach unterscheiden, ob er nach Gleichheit der Ergebnisse oder Gleichheit der Chancen strebt. Denn das Erste folgt keinesfalls zwangsläufig aus dem Zweiten. So ist etwa in den egalitären Gesellschaften Skandinaviens der Anteil der Frauen im Ingenieurwesen deutlich geringer als in den kaum als Leuchttürme der Gleichberechtigung bekannten Ländern Marokko, Oman oder Myanmar. Je freier die Gesellschaft, desto deutlicher treten manche Geschlechterunterschiede hervor – was den Schluss nahelegt, dass hier biologische Faktoren eine Rolle spielen.

Ähnliches gilt für das Streben nach Führungspositionen. Im Deutschlandfunk beklagte der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar Wiestler, vor einigen Jahren fast verzweifelt, dass Frauen im Biologie-Studium und bei den Promotionen die Mehrheit stellten und auf Postdoc-Positionen etwa zu 50 Prozent vertreten seien. Doch für Professuren und andere leitende Positionen im Wissensmanagement gebe es kaum weibliche Bewerber. Warum? Diese Stellen werden ab Mitte 30 relevant, ein Lebensabschnitt, in dem sich viele Frauen, auch solche mit einem Doktor in Biotechnologie oder Astrophysik, für Kinder und gegen Karriere entscheiden.

Verpflichtende Quoten und Gendersterne und -sterninnen werden auf diese Entscheidungen keinen Einfluss haben. Aufgabe von Politik muss es vielmehr sein, die Frauen zu unterstützen, die Karriere mit Kindern wollen, und sich ansonsten an den Grundsatz des liberalen Feminismus halten: „Er fordert dann keine Ergebnisgleichheit unter den Geschlechtern, wenn eine bestehende Ergebnisungleichheit Folge tatsächlich selbstbestimmter Entscheidungen des Individuums ist.“ In dieser Hinsicht können die „Profis“ der Grünen vielleicht noch etwas von den JuLis lernen.