Hatten wir nicht die Bedrohung des Kalten Krieges und ihre angsteinflößenden Warnsignale als überwunden betrachtet?

Haben Sie das gehört? Natürlich nicht, denn es herrschte Stille. Eine Fraktion im Stadtrat empfindet diese Stille jedoch als alarmierend. Und deswegen hat die CDU-Fraktion Braunschweig einen Eilantrag gestellt, der uns zukünftig in die Stimmung des Kalten Krieges zurückkatapultieren könnte. Weil die CDU den bundesweiten Warntag am 10. September als gescheitert ansieht, fordert sie für Braunschweig flächendeckende Warnsirenen. Sie spricht von einer zunehmenden Gefahrenlage und will deswegen die Sirenen zurück auf das Dach. Erinnern sie sich an das Geheul dieser Sirenen, die deswegen abgebaut wurden, weil sie faktisch nur zu Übungszwecken je eingesetzt waren, oder haben sie diese vermisst oder ihr Verschwinden überhaupt bemerkt? Wovor soll die Bevölkerung nun erneut gewarnt werden? Hatten wir nicht die Bedrohung des Kalten Krieges und ihre angsteinflößenden Warnsignale als überwunden betrachtet?

Wenigstens war diese Angst damals sehr real und der potentielle Gegner an der deutsch-deutschen Grenze keine 50 Kilometer entfernt. Solche Warnhinweise schienen sich damals wohl zu rechtfertigten, letztlich haben sie aber nur die Angst geschürt. Doch wo sitzt heute die Bedrohung? Für die CDU jedenfalls besteht ein stetig wachsendes Bedrohungsszenario, und deswegen begründet sie ihren Antrag mit Beispielen, die einem Satiremagazin entsprungen sein könnten. Die Gefahren, vor denen die neuen Sirenen warnen sollen, wären der Brexit, Trump, islamistischer Terror und der „Protest gegen die Lukaschenko-Diktatur“.

Doch stellt sich die Frage: Wann wäre das Geheule denn heutzutage tatsächlich sinnvoll eingesetzt, damit die Bevölkerung dazu gebracht wird, besorgt ihren Blick zu heben, der wahrscheinlich eben noch aufs Smartphone gerichtet war? Wenn der Brexit ohne Einigung eintritt oder wenn unter Bolsonaro weiterhin der Regenwald zerstört wird? Wenn wieder ein großes Stück Gletschereis abbricht oder der Meeresspiegel ansteigt? Schön wäre es ja, wenn beim Ertönen einer solchen Sirene der einsichtige Bürger sofort anstatt mit dem Auto mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren würde oder das Stück Fleisch aus Massentierhaltung zurück ins Kühlregal fallen ließe. Vor den Bedrohungen der heutigen Welt kann man sicherlich nicht weglaufen und man kann auch nicht mit Sirenen vor ihnen warnen. An dieser Stelle kann man daher nur empfehlen, dass die CDU mal in einer Ratssitzung rechts neben sich schaut und dort vielleicht Gefahrenpotenzial wittert, vor dem noch nie eine Sirene warnen konnte. Diese Bedrohungen für unsere Demokratie sind vielmehr durch vernünftige politische Entscheidungen abzuwenden, die unsere Demokratie stärken und mit soliden Lösungskonzepten alle Menschen in diese Gesellschaft integrieren. Europa muss durch Zuversicht geschützt und gestärkt werden. Angst machen gilt nicht und führt auch zu keiner annehmbaren Politik. Solche Warnsirenen gehören in eine längst vergangene Zeit. Sie sind Geräusche des Kalten Krieges.