Kaum habe ich die Maske aufgesetzt, fängt es unweigerlich an, mich an der Nase zu jucken.

Ich hasse diese Masken. Ich meine natürlich das Tragen von Masken. Ich hasse die aus Papier und die aus Stoff. Die langweiligen und die witzigen. Alle Brillenträgerinnen und Brillenträger kennen dasselbe wie ich: die Brille beschlägt. Irgendwie habe ich immer das Gefühl, ich kann mit den Dingern nicht mehr die Preisschilder lesen. Und auch nicht mehr die Welt sehen.

Gerade heute wieder: die Wohnungstür abgeschlossen und auf der Straße fällt es mir ein: Ich habe die Maske vergessen. Und reden mit Maske ist sowieso komisch. Ich kann nämlich gar nicht so frei darunter atmen wie sonst. Aber das Allerschlimmste kommt noch. Kaum habe ich die Maske aufgesetzt, fängt es unweigerlich an, mich an der Nase zu jucken. Und ich soll mich ja nicht mit der Hand ins Gesicht fassen. Also krame ich ein Taschentuch heraus, um mir unter der Maske die Nase zu kratzen. Kaum habe ich das Taschentuch weggesteckt, dann …. Ich muss nicht weiterschreiben. Sie wissen schon, was kommt.

Wie schön wäre es, wenn der neue virale Eindringling eine Erfindung wäre. Wäre es denkbar, dass 119 Staaten – so viele zählt Wikipedia zurzeit auf – dies alles nur erfinden? Dass Kapitalisten, Kommunisten, Maoisten, Republikaner und alle anderen in ein und dieselbe Lüge vernarrt sind? Ich versuche, das zu denken. Mein Hirn schaltet aber ziemlich schnell auf Warnstufe, dann auf Alarm und dann tatsächlich auf Lockdown. Einfach abgeschaltet. Beim Wiederhochfahren erhalte ich als erstes eine Botschaft direkt aus meinen kleinen grauen Zellen. Sie lautet: „So lange ich in Betrieb bin, dulde ich solchen Quatsch nicht. Mit freundlichen Grüßen. Dein Gehirn.“ Aber ich hasse es, diese Masken zu tragen.

Szenenwechsel. Am Samstag stand ich am Dom und habe den Zug der Demonstranten „Bündnis gegen rechts“ an mir vorbeiziehen sehen. Ich hätte auch einfach weitergehen können und oder den Zug durchqueren auf die Rathausseite. Aber das wollte ich nicht. Es gibt so viel nachzudenken in diesen Tagen. Und diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit mit all ihren individuellen Botschaften waren eine einzige friedliche Aufforderung zum Nachdenken. Danke dafür! Heute in dieser Kolumne will ich trotzdem nur auf eines aufmerksam machen: Sie alle trugen Masken (die eine Ausnahme, die ich gesehen habe, lasse ich einmal beiseite). Die Jungen, die Alten und die Mittelalten, alle trugen Masken. Was für eine Disziplin! Sind die Menschen in Braunschweig aus einem ganz besonderen Saft gemacht? In den Medien sehen wir Bilder, auf denen Menschen in großer Menge ohne Maske demonstrieren. Sind das die echten Demonstranten für die Grundrechte und die in Braunschweig sind nur Softies? Also ich habe gestern eine echte Demonstration gesehen mit echten Anliegen. Und ich muss daraus schließen: Offensichtlich geht das doch zusammen: demonstrieren und Masken tragen. Aber ich hasse es, diese Masken zu tragen. Spätestens jetzt sagen Sie wahrscheinlich: „Hat die Frau keinen Friseur, dem sie das erzählen kann?“ Und Recht haben Sie. Aber auch meiner Friseurin will ich das nicht antun und lasse ab sofort mein Gejammer über Masken tragen.

Szenenwechsel. Wer lesen und schreiben kann, ist definitiv im Vorteil. Den Satz habe ich von einer Kollegin im Schulsekretariat gelernt. Also lesen wir doch einmal nach. Stichwort eingeben und schon erscheint der Text auf dem Bildschirm. Zunächst das Infektionsschutzgesetz, das die Grundlage der Einschränkungen ist, die wir durchleiden müssen. „7) Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz), der Freizügigkeit (Artikel 11 Abs. 1 Grundgesetz), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz) werden im Rahmen der Absätze 1 bis 5 eingeschränkt.“ Und jetzt die Artikel unseres Grundgesetzes, von denen im Infektionsschutzgesetz die Rede ist „Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Artikel 11(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Artikel 8 (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Artikel 13(1) Die Wohnung ist unverletzlich.

Diese Rechte hatten und haben wir in der Tat zurzeit nicht, oder nicht in vollem Umfang. Und das tut weh. Und das kann gefährlich sein. Denn die Grundrechte sind politisch sozusagen das Heiligste in unserer Demokratie, auf dem alles aufbaut. Deshalb ist es unabdingbar aufzupassen und wachsam zu sein. Aber kann mir irgendjemand erklären, wie die Maske daran hindert? Ich sehe nicht, dass sie auch nur eines der Grundrechte wirklich einschränkt, von denen die Rede ist. Und glauben Sie mir, an dieser Stelle traue ich mich nicht, mein Masken-Gejammer einzubringen unter dem Motto „Wie soll ich denn meine Persönlichkeit frei entfalten, wenn ich gezwungen werde, eine Maske zu tragen?“

Aber hilft sie denn, die Maske? Geneigte Leserinnen und Leser, das ist eine andere neue Diskussion. Ich hoffe sehr, dass sie das tut. Bei all diesen medizinischen Fragen kann ich aber vieles gar nicht beurteilen und muss hoffen, dass die entsprechenden klugen Köpfe auch wirklich ihre Köpfe zusammenstecken und Kluges empfehlen. Und das nicht nur für das Thema Maske. Klar ist mir aber, dass in einem Bus meine Maske – vergleiche Grundrecht 2 – erst einmal die körperliche Unversehrtheit anderer schützt und mir selbst nur dann geholfen ist, wenn alle anderen auch eine Maske tragen. Deshalb bitte ich doch darum. Und jetzt ist Schluss mit dem Maskenthema. Denn ganz im Ernst: Haben wir nicht andere Probleme, die da heißen: Wie kommen wir aus dieser Pandemie zügig in eine Zukunft für alle? In unserem Land? In Europa? Auf der Welt? Denn gesund in den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie unterzugehen, ist sicher auch keine Alternative. Wenn die Maske alles wäre, was uns in diesem Prozess abverlangt ist, dann trüge ich sie mit Begeisterung freiwillig sogar des Nachts. Habe ich eigentlich schon erzählt, wie sehr mich diese Masken nerven?

Ursula Hellert erzählt Geschichten über das lebenslange Lernen.