Eine weitere Herausforderung bei einer Ausstellung ist die Hängung.

Besuchen Sie öfter einmal eine Ausstellung? Sicherlich sind Sie gespannt auf das Ausstellungskonzept und freuen Sie sich auf eine gute Werkauswahl; aber ist das alles? Was macht eine gelungene Ausstellung, sei sie auch noch so klein, aus?

Viele Fragen, die vor allem kleinere Kunstvereine umtreibt. Ein kurzer Einblick in die Tiefen einer Ausstellungsgenese. Da geht es beispielsweise um die Wahl des Titels. Ich sage Ihnen, das ist ein zähes Ringen um Wörter. Verrät man gleich im Titel, um wen es geht, wie „Pablo Picasso“, ist die Sache einfach. Aber nur deshalb, weil Picasso bekannt ist. Eine Ausstellung mit dem Titel „Bärbel Mäkeler“ würde sicherlich nicht funktionieren. Auch der Titel „Von Rembrandt bis Baselitz. Meisterwerke der Druckgraphik“, ab Mitte Oktober im Städtischen Museum, lässt keine Zweifel am Inhalt der Ausstellung aufkommen.

Was ist mit dem Ausstellungstitel „So wie wir sind 2.0“? Da wird es schon spannender. Oder ungenauer? Ein Beispiel: Ich zeige ab dem 28. August eine Fotoreihe im Mehrgenerationenhaus, mit deren Titel ich echt gekämpft habe. Welche Überschrift soll ich meiner Ausstellung geben, die vorwiegend Fotos aus Braunschweig zeigt, aber auch aus anderen Städten, die Architektur, aber auch Details zeigt, die die Fünfzigerjahre thematisiert, aber nicht nur, und die Strukturen in alledem sichtbar macht.

So etwas bespreche ich mit meinem Mann, der so schön von „außen draufschauen“ kann. Für ihn waren beispielsweise die Wörter „urban“ und „städtisch“ dasselbe, das Lexikon ist seiner Meinung; für mich sind aber „städtische Strukturen“ etwas ganz anderes als „urbane Strukturen“. Also musste ein anderer Titel her. Langer Rede, kurzer Sinn: Die Ausstellung heißt nun „Strukturen im Stadtbild“.

Eine weitere Herausforderung bei einer Ausstellung ist die Hängung. Wenn Sie in einem Raum stehen und haben den Eindruck, an der Wand geht es irgendwie unaufgeräumt zu oder ein Türrahmen kommt einem Bild gefährlich nahe, dann ist bei der Hängung etwas schief gegangen. Bei meiner allerersten Ausstellung hatte ich vor, Fotos mit gleichem Format, mit gleichem Abstand in der gleichen Höhe nebeneinander aufzuhängen. Mein maßstabsgerechter Plan sah vor, dass sie in einem hohen Raum mit langer Wand total eindrucksvoll wirken würden. Wir begannen zu hängen und ich merkte: Das ging gar nicht, es war schlichtweg langweilig. Die Wand war einfach zu hoch, das Ganze sah aus wie ein überdimensioniertes Geschenkpaket, mit einem dünnen Bindfaden verschnürt. Jegliche Planung – und sie war langwierig! – schmolz dahin. Also alles wieder abhängen und neu denken.

Es gibt ja mehrere Arten von Hängungen: Petersburger Hängung (scheinbar chaotische Anordnung zu einem Thema), Kantenhängung (oben oder unten bündig), Cluster- und Rasterhängung. Letztendlich hingen meine Fotos in Clustern mit unregelmäßigen, aber harmonischen Abständen und nach Farbigkeit geordnet …

Solche „Patzer“ passieren natürlich nicht in großen Museen oder Galerien. Bei all den Varianten der Hängung kann man schon mal den Überblick verlieren – es gibt jedoch ein sicheres Prinzip gegen misslungene Aufhängungen: Wenn es um harmonische Proportionen geht, hilft der „Goldene Schnitt“. Er ist seit Jahrtausenden bekannt und wird nach wie vor angewendet, weil er funktioniert. Das Ergebnis wirkt immer ausgewogen – unabhängig von Trends und Kulturen. Er ist nichts anderes als eine Aufteilung in einem bestimmten Teilungsverhältnis, nämlich 61,8 % zu 38,2 %. Exakt dieses Verhältnis kommt oft in der Natur vor und deshalb wird es vom Menschen allgemein als harmonisch empfunden.

Nochmal zurück zur Hängung. Bilder gerade und bündig zu anderen zu hängen – scheint einfach, ist aber eine wahre Herausforderung. Zollstock, Leiter, Wasserwaage und Befestigungsmaterialien sind erforderliche Helferlein. Aber: Steht man auf der Leiter, fehlt der Zollstock, hat man den Zollstock, steht das Bild drei Meter weit weg. Stimmt (scheinbar) die Länge der Strippen, verschiebt sich der Haken hinter dem Bild, das Bild hängt schief, die restliche Strippe lugt unter dem Bild heraus, das Klebeband versteckt sich noch in der Utensilientasche im Auto, weit weg geparkt vom „Tatort“. Huch, das falsche Bild, wieder runter von der Leiter … Slapstick pur! Nach ein paar Stunden liegen die Nerven blank.

Hängt endlich alles, müssen die Exponate noch beschriftet werden. Die Zeit läuft, langsam wird es dunkel und die ganze Ausstellung muss noch entsprechend beleuchtet werden. Dann: aufräumen, ein letzter Blick auf das Gesamtergebnis, Licht aus. Jetzt muss nur noch die Vernissage gelingen!Vielleicht sehen Sie die nächste Ausstellung, die Sie besuchen, mit etwas anderen Augen – gnädiger, auch wenn mal ein Bild schief hängt.

Bärbel Mäkeler, 1957 in Stuttgart geboren, ist Autorin, Lektorin und Germanistin. Sie lebt seit 1975 in Braunschweig und widmet sich in ihrer Kolumne den besonderen Dingen des Alltags.