„Bei diesem Tempo droht nicht nur Führerscheinentzug, sondern gleich noch das Absprechen der Existenz.“

Man könnte meinen, dass die Corona-Pandemie eine Blütezeit für den Wissenschaftsjournalismus ist. Seit Monaten werden nicht nur die Titelseiten dominiert von Artikeln über Infektionen, Exponentialfunktionen, Impfstoffforschung und Texten voller wissenschaftlicher Konzepte und Begriffe. Und trotzdem wünscht man sich, dass die Zeiten der permanenten Corona-Berichterstattung bald ein Ende finden. Denn auch wenn es viele Gelegenheiten für guten Wissenschaftsjournalismus gab, so waren die vergangenen Wochen auch geprägt von der Politisierung der Aussagen von Forschern, fachlicher Kritik, die medial zu angeblichen Kriegen unter Wissenschaftlern aufgeblasen wurde, und einer Flut von Publikationen, die aufgrund der Dringlichkeit der Situation nicht die üblichen sorgfältigen Prüfverfahren durchlaufen hatten. Und wenn dann auch noch hanebüchener Unsinn über Coronavirus verbreitende 5G-Masten und Verschwörungsmythen rund um Bill Gates und seine angeblichen Pläne zur Dezimierung der Weltbevölkerung durch Impfungen hinzukommen, kann aus der Freude über die Aufmerksamkeit Verzweiflung werden.

Vor allem aber verdrängt Corona fast alle anderen Wissenschaftsthemen aus Tageszeitungen und Tagesschau. Es scheint fast so, als bestehe Wissenschaft derzeit nur noch aus Infektionsforschung. Deshalb soll es hier einmal um etwas ganz anderes gehen: um Geschwindigkeitsüberschreitungen. Eine solche ereignete sich vor grob 10.000 Jahren im Sternbild Schlangenträger. Dort verschlang ein Schwarzes Loch den Stern MAXI J182+070. Ein Teil der Materie des Sterns fällt allerdings nicht ins Schwarze Loch, sondern wird um seinen „Rand“ herumgewirbelt – wie Wasser, das um einen Abfluss herumstrudelt. Unter anderem durch den Einfluss starker Magnetfelder wird ein Teil dieser Masse in sogenannten Jets nach außen geschleudert. Einer dieser Jets, der ziemlich genau in unsere Richtung katapultiert wurde, verstieß dabei gegen das universelle Tempolimit – und wurde prompt geblitzt. Ein Film der Nasa, der Ende Mai veröffentlicht wurde, hat den Jet aufgezeichnet. Mittels Röntgen- und Radarteleskopen wurde eine Geschwindigkeit von mehr als dem Anderthalbfachen der Lichtgeschwindigkeit ermittelt.

Bei diesem Tempo droht nicht nur Führerscheinentzug, sondern gleich noch das Absprechen der Existenz. Denn ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit ist nach Einsteins Relativitätstheorie nicht möglich. Das war allerdings nur der Eindruck, der aufgrund der Perspektive der Teleskope entstand. Tatsächlich bewegten sich die Partikel des Jets mit „nur“ 80 Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Nicht zu schnell fürs Universum, aber schnell genug, um es bei uns ordentlich ungemütlich zu machen. Glücklicherweise sind Stern und Schwarzes Loch 10.000 Lichtjahre von uns entfernt.