Irene ist eine Kuh. Vier Jahre alt, wohnhaft in Oberbayern. Sie ist ausgebüxt.

Man frage nicht nach den Gründen. Sie hat es halt getan. Irene hat das gemacht, was in einem Fall wie dem ihrigen unbedingt mit genau diesem und nur diesem Wort belegt wird: Sie ist ausgebüxt. Andere reißen aus. Brechen aus. Brennen durch. Fliehen, türmen, hauen ab, entwischen, entweichen, verpieseln sich oder machen sich davon. Aber Irene ist eine Kuh. Vier Jahre alt, wohnhaft in Oberbayern. Und abgängige Kühe, Katzen, Hühner, Zirkusponys, sonstiges Getier und gelegentlich auch Kinder sind in den einschlägigen Zeitungsmeldungen auf dieses Wort abonniert: Ausgebüxt. „Ausbüxen“ schreibt man mit X, jawohl, und was die Herkunft des stets eine heitere Note einbringenden Wortes angeht, ist einem die Hose näher als die Büchse. Soll heißen: Die lederne Buxe, eine Art Bangbüxe im Sinne von „Angsthose“, wird als Ausgangspunkt des Begriffes vermutet. Und Irene? Die hat vor zwei Wochen nicht nur den versehentlich offenen Stall verlassen. Sondern sie hat dann (Klassikfreunde würden sagen: im Sinne einer allerdings verweiblichten Nachstellung der reizvollen Orchesterfantasie von Darius Milhaud namens „Le bœuf sur le toit“) tollkühn das Dach eines Tiefsilos erstiegen. Wow bzw. Muuuh! Ja, sie schaute sich den Hof, auf dem sie gehalten wird, nun halt mal aus erhöhter Perspektive an. Jedenfalls wurde sie dort oben akkurat fotografiert – von der Bäuerin übrigens, welche die heiteren Bilder womöglich als eine Art Trostpflaster benutzen konnte in Anbetracht diverser ramponierter Dachziegeln. Ja, so war Irenes Eskapade am Ende… ein Dachschaden. Aber eben doch ein bemerkenswertes Ausbüxen. Ein Ausbüxen mit Auszeichnung!