Beienrode. Die Geburt ihres Enkelkindes oder die Hochzeit ihres Sohnes: Manuela Gehrke kann sich daran nicht erinnern. Die 59-Jährige leidet unter Amnesien.

Ausgelöst wurden sie durch ein Trauma in ihrer Kindheit. Vor fünf Jahren diagnostizierte eine Psychologin eine dissoziative Störung bei ihr. Es folgten zahlreiche Krankenhausaufenthalte und eine psychiatrische Behandlung in Königslutter.

Zurück zu Hause war sie einsam. „Das war die Hölle, denn ich wollte am Leben teilhaben“, wird Gehrke in einer Mitteilung der Evangelischen Stiftung Neuerkerode zitiert. Dann fand sie im Juni einen Platz in der Tagespflege in Beienrode, die von den Diakoniestationen Harz-Heide betrieben wird. Ihre Psychologin habe ihr geraten, sich um einen Platz zu bemühen. Doch an ihrem Wohnort in Wolfsburg sei sie nicht fündig geworden. „Es gab kaum Angebote für Menschen in meinem Alter.“ Schließlich fand sie den Platz in der Tagespflege auf dem Gelände des Ritterguts.

Mit 59 Jahren sei Gehrke die jüngste Besucherin unter den Gästen. Jetzt wolle sie anderen jüngeren Menschen Mut machen, sich in einer Tagespflege anzumelden. „Das ist für Angehörige eine große Entlastung und man hat wieder eine Aufgabe“, so Gehrke. Auch ihr Ehemann sei nun beruhigt, dass sie tagsüber betreut werde. In Beienrode gefalle ihr vor allem das Gefühl, wie in einer Großfamilie leben zu können. „Ich habe soziale Kontakte, wir lachen viel gemeinsam und ich bin ein Teil vom Ganzen“, berichtet Gehrke. Denn soziale Bindungen habe sie zuletzt nicht mehr gehabt. „Ich habe meine Mutter gepflegt und wurde schließlich selbst krank.“ Krankheit und Angehörigenpflege hätten sie vom gesellschaftlichen Leben isoliert.

„Ich darf mich in Beienrode um andere Tagesgäste kümmern, das macht mich zufrieden“, sagt die Wolfsburgerin. Sie werde in den Alltag eingebunden, spiele mit den anderen Spiele, helfe, den Tisch zu decken und unterstütze ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Als gelernte Pflegekraft könne sie gut auf die Bedürfnisse anderer eingehen. Doch Gehrke erfährt auch selbst Unterstützung.

Sie traue sich viele alltägliche Dinge nicht mehr zu, etwa einen Kuchen zu backen. Denn obwohl sie erst
59 Jahre alt sei, mache ihre Krankheit viele Dinge unmöglich. „Zu meinen epileptischen Anfällen kommen auch depressive Phasen“, sagt sie. In der Tagespflege erfahre sie Verständnis für ihre Situation. Gehrke: „Mein Selbstbewusstsein wird hier gestärkt.“

Die Tagespflege in Beienrode betreut täglich bis zu
20 Menschen. Es gibt noch freie Plätze.

Angebote: Sitzgymnastik, Bewegungs- und Musiktherapie, Kreatives Gestalten, Gedächtnistraining und Ruhezonen.

Wer einen Pflegegrad hat, kann bei der Pflegekasse Kostenübernahme beantrage.