Königslutter. Die neue Ausstellung „Re:Join“ ist in der Malerkapelle zu sehen. Eine Künstlerin hat dafür bewusst den Boden an ausgewählten Stellen entfernt.

Nanu, reparieren Handwerker in der Malerkapelle die Heizungsrohre, die im knackigen Winter 2010 kaputt gefroren sind? Diesen Eindruck erhält, wer derzeit das Gebäude betritt: Die Holzdielen im Hauptraum sind teils entfernt und geben den Blick auf die Kupferrohre frei und auf all das, was in Jahrzehnten durch die Ritzen gefallen ist.

Nein, es waren nicht die Handwerker. Es ist die Hauptarbeit der neuen Schau „Re:Join“ in der Malerkapelle, wie der Förderkreis mitteilt. Esra Oezen und Heekeun Kim, beide Meisterschülerinnen der Hochschule für Bildende Künste (HBK) Braunschweig, haben Werke speziell für diesen Ort erstellt. „Es ist unsere bislang konzeptionellste Ausstellung“, wird Lino Heissenberg, Kurator des Kunstvereins, zitiert: „Was die beiden Künstlerinnen vorbereitet haben, entsteht erst durch ein Zutun des Publikums und ist selbst mehr ein Wegweiser in das eigene Denken.“

Betrachter sollen ihre Alltagserfahrungen anders sehen

Heekeun Kim hat den Boden der Kapelle an ausgewählten Stellen entfernt und so die verschwunden geglaubten Überbleibsel vergangener Tage zurückgeholt, wird erklärt. Stifte, eine Visitenkarte, Holzspäne, ein Feuerzeug, Staub. Sie sagt: „Für mich ist Kunst, wenn Betrachter dadurch ihre Alltagserfahrungen anders sehen.“ Wer seinen Blick über das Loch im Fußboden schweifen lässt, kommt tatsächlich ins Grübeln: Was habe ich verloren? Wo mag es sein? Lohnt es sich, danach zu suchen?

Esra Oezens Hauptarbeit „vom eben Gewesenen“ ist eine Arbeit verteilt über mehrere Bildschirme, berichtet der Verein. Aus einer Folge von Buchstaben kann der Betrachter eben diesen Titel zusammensetzen. Lino Heissenberg: „Das Entdecken und Herangehen an die Arbeit wird ebenso schnell zum ,eben Gewesenen’ wie das Erfassen und Dechiffrieren der Arbeit.“ Oezen geht einem Phänomen nach, wird erklärt: Ein Moment, den wir erleben, ist zu dem Zeitpunkt, an dem wir ihn wahrnehmen, bereits wieder vorbei. Vergangenheit und Zukunft treffen in der Gegenwart aufeinander, das Gefühl von Zeit setzt sich erst in der Erfahrung zusammen.

„Re:Join“ ist keine Ausstellung für Menschen, die schöne Bilder konsumieren möchten, heißt es. Die Besucher müssen sich einlassen auf die sperrigen Arbeiten. Dann werden sie mit ungewöhnlichen, neuen Gedanken belohnt.

Heekeun Kim und Esra Oezen, Ausstellung „Re:Join“. Bis 27. August jeden Samstag und Sonntag, 13 bis 18 Uhr, Malerkapelle am Elm, Samuel-Hahnemannstraße 5, 38154 Königslutter.