Helmstedt. Polizei sucht dringend Zeugen. Pröpstin und Pfarrer sind fassungslos. Nur ein Zufall verhinderte größeren Schaden in Helmstedts Innenstadtkirche.

Wer legt Feuer in einer Kirche, schmiert ein Hakenkreuz auf den Boden und uriniert ins Gotteshaus? Pfarrer Martin Pyrek ist am Tag nach der Tat „fassungslos, entsetzt, furchtbar berührt“. Am Mittwochvormittag hatte ein bislang unbekannter Täter zwischen 8 Uhr und 11 Uhr die Helmstedter Innenstadtkirche betreten, Info-Broschüren auf einem Tisch angezündet, mit Farbe ein Hakenkreuz auf den Boden geschmiert – und auch noch in einer Ecke seine Notdurft verrichtet. Nur durch Zufall wurde der Frevel entdeckt.

„Der Küster betrat die Kirche gerade rechtzeitig, als das Papier auf dem Info-Tisch noch brannte. Er löschte das Feuer umgehend“, berichtet Pröpstin Katja Witte-Knoblauch. Die Polizei ermittelt nun wegen Brandstiftung und der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen. „Das sind unsere ersten Ermittlungsansätze“, sagt Polizeisprecher Thomas Figge am Donnerstag auf Anfrage unserer Zeitung. Auch der Staatsschutz sei eingeschaltet und werde sich den Fall genau ansehen. Dabei werde wohl auch überprüft, ob es Zusammenhänge mit den Hass-Parolen auf Grabsteinen in Salzgitter oder den beschädigten Fenstern einer Synagoge in Hannover gibt.

Hintergrund der Tat in Helmstedt ist unklar

Ob beim Täter eine politische oder religiöse Motivation zugrunde lag, es sich um eine psychisch instabile Person gehandelt habe oder es eine andersartige „Blödsinnstat“ gewesen sei, so Figge, „das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt der Ermittlungen nicht sicher sagen“. Deshalb seien Zeugenaussagen besonders wichtig. Die Polizei bittet daher Anwohner, Passanten, Autofahrer oder Kirchenbesucher, die am Mittwochvormittag zwischen 8 Uhr und 11 Uhr verdächtige Personen in der Kirche oder ihrem Umfeld beobachtet haben, sich als Zeugen zu melden. „Ebenso werden wir auch überprüfen, ob es in Helmstedt bereits polizeibekannte Personen gibt, denen eine solche Tat zuzurechnen wäre.“

Pfarrer Martin Pyrek blickt in der Helmstedter St.-Stephani-Kirche auf den Tatort.
Pfarrer Martin Pyrek blickt in der Helmstedter St.-Stephani-Kirche auf den Tatort. © Markus Brich | Markus Brich

Der materielle Schaden in dem 700 Jahre alten Gotteshaus hält sich begrenzt, wird von der Polizei auf mehrere hundert Euro beziffert. Von „Glück im Unglück“ spricht Pröpstin Witte-Knoblauch. „Ein größerer Brand in der Stadtkirche hätte ein gutes Stück Geschichte unseres Ortes vernichten können.“ Unweit vom Tisch, auf dem das brennende Papier entdeckt wurde, führt eine hölzerne Wendeltreppe nach oben.

Hakenkreuz, Notdurft, Brandstiftung: „Furchtbare Übergriffigkeiten“

Doch es ist nicht der Sachschaden, der Pröpstin wie Pfarrer so fassungslos zurücklässt. Es ist das unbeantwortete „Warum?“, das so schmerzt und so betroffen macht. „Was ist das für eine Ungehörigkeit den Menschen, ihren Werten und ihren Umgangsformen gegenüber?“, fragt sich Pfarrer Martin Pyrek und bedauert: „Furchtbare Übergriffigkeiten dieser Art scheinen leider in die aktuelle gesellschaftliche Lage zu passen. Es stimmt traurig, dass solche Dinge in unserem Land möglich sind: Die Geringschätzung von Werten, die nicht allen Menschen gleich wichtig sein müssen, aber doch zumindest von allen gleich respektiert werden sollten.“

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In der Vergangenheit habe es rund um die Stephani-Kirche zwar schon hin und wieder mal Fälle von mutwilligen Beschädigungen gegeben, sagt Pyrek. Bei ihrer Innenstadtlage und der unmittelbaren Nähe zur Kneipenmeile nicht unbedingt überraschend. „Aber dass der Innenraum unserer Kirche Ziel eines bewussten und in seiner Symbolik so verachtenden Zerstörungswillens ist, das ist in diesem Ausmaß wirklich neu.“ Klar, sei auch schon mal der Wanderstempel der Pilgerstele „verschwunden“ oder es sei versucht worden, den Opferstock aufzubrechen. Aber das in der Kirche mutwillig versucht wird, einen größeren Schaden anzurichten, das ist eine andere Qualität.“

Trotz des Vorfalls soll die Tür der Helmstedter St.-Stephani-Kirche weiterhin für alle Menschen offen bleiben.
Trotz des Vorfalls soll die Tür der Helmstedter St.-Stephani-Kirche weiterhin für alle Menschen offen bleiben. © Markus Brich | Markus Brich

Auch für Pröpstin Witte-Knoblauch ist klar: Mit dem Symbol auf dem Fußboden sei zu sehen, „in wessen zerstörerischen Geist sich Menschen bis heute einschrieben, die bereit seien ihren persönlichen Unmut in Gewalt umzumünzen“. Die Kirche werde trotz des Vorfalls für die Menschen offen bleiben, versichert Pyrek. „Sie aus Angst zu schließen, dem jetzt nachzugeben, wäre das falsche Signal.“