Gifhorn. Pfarrer Thomas Hoffmann kündigt weniger Sonntagsgottesdienste an. Wie die Kirche das Gemeindeleben jetzt noch retten will.

  • Dem größten Gemeindebezirk im Bistum Hildesheim gehen die Priester aus.
  • In Zukunft sollen 30.000 Gläubige mit einem Seelsorger auskommen müssen.
  • Diese Probleme wirken sich heute schon massiv aus: Krankheit, Krieg, Lehraufträge.
  • Die Katholiken setzen jetzt ganz auf das Ehrenamt und die Jugend.

Normalerweise ist die Kirche für die Frohe Botschaft zuständig. Doch was der katholische Pfarrer Thomas Hoffmann den 30.000 Katholiken im Landkreis Gifhorn und der Stadt Wolfsburg im aktuellen Dezember-Pfarrbrief mitteilt, geht als Hiobsbotschaft durch. Der Priestermangel im sogenannten ÜPE-Raum mit überpfarrlichem Personaleinsatz hat sich so zugespitzt, dass die Katholiken in den Gotteshäusern vor leeren Kanzeln beten. Hoffmann: „Der Kipppunkt in der Gemeindeseelsorge, von dem schon seit vielen Jahren gesprochen wird, ist für uns heute erreicht.“ Der Fachkräftemangel ist in der katholischen Kirche angekommen.

Pfarrer: Uns steht das Wasser bis zum Hals

Betroffen ist die Region Gifhorn-Wolfsburg mit vier Pfarreien und zehn Kirchen, davon im Raum Gifhorn St. Altfrid und St. Bernward in der Stadt Gifhorn sowie St. Andreas in Meine. Die Region gilt als der größte ÜPE-Raum im Bistum Hildesheim. Sie muss in den nächsten Monaten mit drei Priestern planen. In zehn Jahren werde das die verbliebene Stellenzahl sein, so Hoffmann: „Und in 20 Jahren wird es ein Priester sein. Uns steht das Wasser bis zum Hals.“

Dabei ist die Papierform der katholischen Seelsorge aktuell noch gut. Hoffmann zählt sechs Priester, einen ehrenamtlichen Diakon, einen pastoralen Mitarbeiter in Vollzeit sowie drei Teilzeit-Referenten für Gemeinde- und Pastoralarbeit auf. Dazu kämen zig Ehrenamtliche „mit bewundernswertem Einsatz“ für die Gemeinden. Aber: Ein Priester ist die meiste Zeit in der Ukraine, ausreisen darf er meist nur kurz. Zwei Geistliche sind langfristig erkrankt.

Und was bedeutet das für Weihnachten?

Die verbliebenen drei Priester „haben auch Urlaub, sind mal krank, machen Exerzitien, eine Fortbildung, erfüllen eine Lehrverpflichtung oder haben mal einen Tag frei“. Unter dem Strich sei damit noch mal mehr als eine halbe Vollzeitstelle weg, rechnet Pfarrer Hoffmann vor. „Daraus ergibt sich, dass wir in den nächsten Monaten so planen müssen, als wären nur zwei gesunde Priester in Gifhorn und Wolfsburg verfügbar. Mit Aushilfskräften und besonderen Anstrengungen können wir intensive Zeiten wie Weihnachten und Ostern noch immer mit einem attraktiven Angebot gut gestalten.“ Denn: Auch die Kirchen wissen, dass dies die besucherstärksten Zeiten sind.

„Außer Schwerpunkten auch Leichtpunkte setzen“

Doch für den Kirchenalltag klingt Pfarrer Hoffmann beinahe wie ein Betriebswirt: „Wir haben in der Vergangenheit vieles möglich gemacht. Damit sind wir an ein Ende gekommen. Wir müssen und werden Prioritäten setzen, auch aus einer Fürsorgeverantwortung für die gesunden Mitarbeiter, hauptamtliche und ehrenamtliche.“ Maßstab sei Zukunftsfähigkeit statt Nostalgie. „Außer Schwerpunkten sind auch Leichtpunkte zu setzen.“

Das ist Hoffmanns Streichliste

Auf der Streichliste stehend Hoffmann zufolge Gottesdienste in Altenheimen und Wochentagsmessen. Andachten würden fortan immer ohne Priester, nur mit Laienkräften gefeiert. Gemeindeveranstaltungen wie Kaffeenachmittage und Familienfeiern müssten ohne hauptamtliche Kirchenvertreter auskommen.

Vorrang genössen außer den Hochfesten Gottesdienste mit Taufen, Trauungen und Bestattungen. Auch Schulgottesdienste, Erstkommunionvorbereitung und Jugendarbeit seien wichtig ebenso wie individuelle seelsorgerliche Gespräche, will sich Hoffmann auf den Kirchennachwuchs konzentrieren.

Drohen weitere Kirchenaustritte?

Wie die Gemeindemitglieder die Kürzungen bewerten, dazu liegt der ehrenamtlichen Kirchenvorsteherin Gabriele Trautmann ein Fragenkatalog vor. Ob die Gemeindeführung die richtigen Schwerpunkte setze und ob nun weitere Kirchenaustritte drohen, dazu stehen Antworten noch aus. Auch ob die Gläubigen das Gespräch mit Bischof Heiner Wilmer suchen wollen, wird Trautmann noch beantworten.

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