Gifhorn. Die 4. Staffel der TV-Serie zeigt den Profiboxer in den 1930er-Jahren. Die ARD hat den Verbleib in der Mediathek verlängert.

  • In der bekannten TV-Serie „Babylon Berlin“ dreht sich vieles um den legendären Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann, einen gebürtigen Gifhorner
  • Jörg Prilop aus Gifhorn, der viel zu Trollmann recherchiert - er sagt, was er über die Serie denkt
  • Trollmann war am Ende der Weimarer Republik zum Publikumsliebling, aber die Nationalsozialisten diffamierten ihn als „undeutsch“ und „Zigeuner“

Diesen Herbst kämpfen Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) und Gereon Rath (Volker Bruch) in der TV-Serie „Babylon Berlin“ wieder gegen die Kriminalität am Ende der Weimarer Republik: Anfang Oktober 2023 strahlte die ARD die 4. Staffel aus, sie ist noch bis 14. Juni dieses Jahres in der Mediathek zu sehen (ursprünglich war als letzter Tag der 14. Februar vorgesehen). Am Ende dreht sich vieles um den legendären Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann - der lebte tatsächlich und war gebürtiger Gifhorner. Jörg Prilop aus Gifhorn, der viel zu Trollmann recherchiert und mit dafür gesorgt hat, das die ehemalige Boxmühle und ein Weg in Wilsche heute dessen Namen tragen, hat geprüft, wie genau die Fernsehserie an der Wahrheit dran ist - und wo sie bewusst abweicht.

Szenen aus der 12. Folge/Staffel 4 von
Szenen aus der 12. Folge/Staffel 4 von "Babylon Berlin": "Rukeli" Trollmann kämpft weiß gepudert. © FMN | ARD Mediathek

Wer war Trollmann überhaupt? Am 27. Dezember 1907 kam er in Wilsche zur Welt. Wo genau, wisse man heute nicht, sagt Prilop: „Es heißt, in einer Gaststätte. Aber damals gab es wohl mehrere in Wilsche, nicht nur den Deutschen Heinrich.“ Trollmann wuchs dann in Hannover in einer großen Sinti-Familie in ärmlichen Verhältnissen auf, sein Box-Talent zeigte sich früh. Beinahe wäre er 1928 schon für die Olympischen Spiele nominiert worden.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Trollmann wurde Deutscher Meister im Halbschwergewicht

Über die Jahre machte „Rukeli“ mehr als 40 Profikämpfe, er wurde am Ende der Weimarer Republik zum Publikumsliebling. Durch den Sieg am 9. Juni 1933 gegen Adolf Witt wurde er schließlich Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Acht Tage später wurde ihm der Titel jedoch wieder aberkannt. Die ein halbes Jahr zuvor an die Macht gekommenen Nationalsozialisten diffamierten ihn als „undeutsch“ und „Zigeuner“.

Szenen aus der 12. Folge/Staffel 4 von
Szenen aus der 12. Folge/Staffel 4 von "Babylon Berlin": "Rukeli" Trollmann kämpft weiß gepudert. © FMN | ARD Mediathek

Aus Protest gegen rassistische Schikanen erschien er bei seinem letzten Kampf im Juli 1933 gegen Weltergewichtler Gustav Eder mit blond gefärbtem Haar und weiß gepuderter Haut im Ring. Denn die Nazis hatten Trollmann unter Androhung des Boxlizenz-Entzugs mit unfairen Auflagen belegt, um die Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“ zu demonstrieren: Der Ex-Gifhorner durfte weder in seinem typischen tänzelnden Stil boxen noch von seinem Reichweitenvorteil Gebrauch machen, also nicht auf Distanz boxen. Demonstrativ blieb Trollmann während des Kampfes dann nur breitbeinig stehen, duckte sich nicht und steckte solange Schläge ein, bis er schließlich K.O. ging.

Hannes Wegener spielt den Gifhorner im Film

Genau auf diese beiden letzten Kämpfe geht Regisseur Tom Tykwer bei „Babylon Berlin“ ein und zeigt in Episode 12 nicht nur, wie „Rukeli“ (gespielt von Hannes Wegener) von der pöbelnden braunen Masse mit „Zigeuner! Zigeuner!“-Rufen beschimpft und mit Bierflaschen beworfen wird, sondern auch, wie er in einer Pause in eine Kreidekiste greift, um seinen Körper mit weißem Puder zu bedecken.

Der legendäre Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (hier auf einem koloriertem Foto) wurde in Wilsche bei Gifhorn geboren.
Der legendäre Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann (hier auf einem koloriertem Foto) wurde in Wilsche bei Gifhorn geboren. © FMN | Reiner Silberstein

„Die Stimmung mit den braunen Horden in der Arena kommt schon gut rüber“, lobt Jörg Prilop die Darstellungen. Er sei ganz begeistert, dass der Ex-Gifhorner eine Rolle in der Serie spielt. Aber sonst stimme vieles nicht: Denn die beschriebene Szene, die 1933 stattfand, wird in der Serie bereits in das Jahr 1931 verortet - als die Nationalsozialisten noch nicht an der Macht waren. Und: Im Film besiegt der weißgepuderte Trollmann sein Gegenüber, statt stillstehend K.O. zu gehen. Von blondgefärbtem Haar keine Spur.

Trollmanns starb im KZ Wittenberge durch die Schläge eines Kapo

Auch unwahr ist natürlich, dass „Rukeli“ (Achtung Spoiler!) der Halbbruder einer Charlotte Ritter war. Aber die völlig fiktive Verflechtung mit der Film-Hauptdarstellerin lässt Prilop Hoffnung für die Zukunft: „Die 5. Staffel soll ja dann bis in das Jahr 1933 führen. Möglicherweise ist Trollmann ja dann auch noch einmal Thema in der Serie.“

Das wirkliche Leben des Ex-Gifhorners hatte allerdings kein glückliches Ende. Seine Boxkarriere war mit der Niederlage gegen Eder beendet. Kurz nach Geburt seiner Tochter Rita und Hochzeit mit Olga Frieda Bilda 1935 wurde Trollmann mit der angeblichen Diagnose „angeborener Schwachsinn“ zwangssterilisiert. 1938 wurde er ins Arbeitslager Hannover-Ahlen verschleppt, musste in der Wehrmacht kämpfen, wurde an der Ostfront verwundet, landete im KZ Neuengamme, später im Nebenlager Wittenberge. Abends nach der Zwangsarbeit musste er gegen SS-Männer boxen. Nach dem Sieg gegen einen Kapo erschlug ihn dieser hinterrücks mit einem Knüppel.

Buchtipp: Roger Repplinger: „Leg dich, Zigeuner: Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder“, 2008, gebundene Ausgabe, 384 Seiten, ISBN: 978-3492049023.

Das Buch
Das Buch "Leg dich, Zigeuner: Die Geschichte von Johann Trollmann und Tull Harder" hat Roger Repplinger geschrieben. © FMN | Privat