Barwedel. 9 Jahre nach der Tat in Barwedel verhandelt das Landgericht Braunschweig den Fall. Der Täter ist geständig, das Opfer psychisch fertig.

Die Nacht der Sommersonnenwende 2014: Auf Einladung ihres Meisters traf sich eine Gruppe VW-Werker zum Gartenfest in Barwedel. Spanferkel gab es, Alkohol floss reichlich. Einer der Männer (zur Tatzeit 40 Jahre alt) hatte seinem Kollegen (damals 24) angeboten, dass der in seinem VW-Bus übernachten darf. Nachdem der junge Mann betrunken eingeschlafen war, nutzte der Ältere dessen hilflose Situation aus. Neun Jahre später steht der Täter vor dem Landgericht Braunschweig.

Täter war betrunken, als er sich am schlafenden Arbeitskollegen verging

Dass sich das Tatgeschehen wie angeklagt ereignet hat, räumt der Beschuldigte zum Prozessauftakt ein. Als er zum grotesken Erklärungsversuch ansetzt, unterbricht ihn eilig sein Verteidiger Martin Voß. Der Angeklagte ist verheiratet und hat zwei Kinder. Trotzdem fühlte er sich offenbar von dem jungen Kollegen angezogen.

Es gibt keine Hinweise, dass er den Missbrauch von langer Hand geplant hatte. Wohl eher dürfte ihn am Tatabend (laut eigenen Angaben) der Genuss einer Flasche Weinbrand und mehrerer Biere gehörig enthemmt haben, ehe er dem schlafenden Opfer im VW-Bus die Hose runterzog und dessen Glied in den Mund nahm.

Der Nebenklagevertreter betont, seinem Mandanten sei es nicht wichtig, dass der Angeklagte zu einer harten Strafe verurteilt werde, sein Mandant wolle nur endlich einen Schlussstrich ziehen. Der heute 33-Jährige wird von einem Zeugenbeistand begleitet. Er wirkt deutlich angespannt, kann zeitweise die Tränen nicht zurückhalten. Seine Worte lassen den Angeklagten nicht unberührt.

Zeuge schildert, dass er die Tat bis heute nicht verarbeitet habe

Der Zeuge schildert, wie er in der Tatnacht wach wurde, den Kopf des Angeklagten zwischen seinen Beinen sah, wie er sich erst in einer Schockstarre fühlte und dann in Panik aus dem Bus in den Wald geflüchtet war. Nur wenige Sekunden dauerte wohl die Tat. Das Opfer behauptet, die sexuelle Gewalt, die er damals erlebt hat, sei der Grund, dass sein gesamtes Leben aus der Bahn geworfen wurde.

Er habe sich für den Vorfall geschämt – insbesondere, weil er als Mann von einem Mann missbraucht worden war. Er habe sich nicht getraut, sich jemandem anzuvertrauen, schon gar nicht auf der Arbeit, da er damals noch Zeitarbeiter war. Nach der Tat habe der Angeklagte weiter die Nähe zu ihm gesucht. „Die Kollegen tuschelten, ob er in mich verliebt ist“, berichtet der Zeuge. Einmal will er versucht haben, seinen Meister ins Vertrauen zu ziehen. „Er sagte mir: Ich soll das alles nicht so verbissen sehen.“

Donnerstag soll das Urteil verkündet werden

Zusehends habe er sich in einer Abwärtsspirale befunden: Alkohol- und Drogenexzesse, Entzug, Therapie, Suizidversuch, Psychiatrie, Entgiftung, Tagesklinik, Traumaklinik. Schließlich habe er den Mut gefunden, über das, was ihm widerfahren ist, mit Menschen, denen er vertraute, zu sprechen. Im März 2020 stellte er die Strafanzeige.

„Mein Leben ist komplett im Arsch“, wählt er drastische Wort auf die Frage, wie es ihm heute geht. „Nichts ist mehr so, wie es früher war. Damals wollte ich die Meisterschule anfangen. 2021 habe ich noch mal versucht, zu arbeiten, ich habe es nicht hinbekommen. Jetzt habe ich Rente eingereicht.“

Nach dem Ende der nur eintägigen Beweisaufnahme soll am Donnerstag plädiert und auch das Urteil verkündet werden.

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