Gifhorn. Die ersten neuen Windparks in den 2020 ausgewiesenen Vorranggebieten sind am Netz – aber was kommt noch auf den Landkreis Gifhorn zu?

Gifhorns Ökostrombilanz hat sich 2022 kräftig verbessert. Die hohen Investitionen in Windkraft machen sich bezahlt. Die ersten neuen Windparks in den 2020 offiziell ausgewiesenen Vorranggebieten sind am Netz. Unsere Zeitung liegen exklusive Zahlen des Netzbetreibers LSW für 2022 vor. Laut vorläufigen Erhebungen waren kreisweit Windräder mit einer Nennleistung von 200,86 Megawatt installiert. „Das sind 73,7 Prozent der insgesamt im Netzgebiet der LSW angeschlossenen Windleistung“, sagt LSW-Sprecherin Birgit Wiechert. Laut Erneuerbare-Energien-Report lag der Wert 2021 noch bei 144,96 Megawatt. Das entspricht einem Zuwachs von 38 Prozent.

Windparks im Landkreis Gifhorn
Windparks im Landkreis Gifhorn © Jürgen Runo

Die eingespeiste Windstrommenge erreichte 2022 rund 311.370 Megawattstunden (MWh). Das sind rund 77,7 Prozent der im LSW-Netzgebiet eingespeisten Menge aus Windenergie. 2021 wurden 187.198 MWh eingespeist, so dass sich ein überproportionaler Zuwachs von mehr 66 Prozent ergibt.

Hier kommt der Windstrom her

Kreisweit gibt es 18 unterschiedlich Vorranggebiete mit gänzlich verschiedenem Auslastungsgrad – von voll bebaut bis ungenutzt. Der Kreis zählt selbst noch das vor Gericht gescheiterte Vorranggebiet Meinersen Seershausen 01 mit.

Konkret sind laut Kreis-Sprecherin Friederike Steemann im Landkreis 86 Windräder in Betrieb. In Wahrenholz, Wettendorf und Hankensbüttel sind weitere 14 Windräder genehmigt und teilweise im Bau. Weiter fortgeschritten ist der Aufbau der Windparks Zahrenholz (neun Rotoren) und Ehra (sechs Rotoren).

Hier sollen weitere Windräder entstehen

Beantragt sind weitere 26 Rotoren, die sich auf die Vorranggebiete bei Teschendorf, Suderwittingen, Stöcken, Müden und Barwedel verteilen. Selbst für das mittlerweile gerichtlich ausgeschlossene Areal bei Seershausen liege ein Antrag über zehn Windräder vor, so Steemann. Der Regionalverband pocht darauf, das Urteil sei nicht rechtskräftig. Zwar ist Revision ausgeschlossen, doch selbst dagegen hat der Verband Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

Hatte der Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht bereits gezeigt, wie groß die Widerstände gegen Windkraft vielerorts sind, dürfte sich die Wucht der Debatte noch deutlich verstärken, denn mit den neuen Vorgaben der rot-grünen Landesregierung kommt auf den Landkreis ein Vielfaches der bisherigen Anforderungen zu. Schon heute stellt der Kreis Gifhorn allein 1685,5 Hektar von regionsweit rund 6770 Hektar. Regionsweit machen die Vorrangflächen bislang 1,3 Prozent aus.

Windkraftfläche soll sich vervierfachen

Laut Gifhorns grünem Landtagsabgeordnetem Christian Schroeder will das Land künftig 2,2 Prozent der Landesfläche als Vorrangflächen. Im Landkreis Gifhorn müssten es demnach gleich 4,26 Prozent der Fläche sein. Das wären dann 6850 Hektar, also mehr als heute in der gesamten Region. Laut Schroeder zeigen Analysen des Umweltministeriums, dass grundsätzlich auf 19,15 Prozent der Fläche im Landkreis Windräder möglich wären: „In die Vorgaben flossen etwa Bevölkerungsdichte, Art und Umfang der Besiedelung, Abstände, Waldflächen und auch Vogelschutzgebiete ein.“

Mit dem Thema Windenergie wollen sich bei ihrem nächsten Treffen auch die hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Landrat Tobias Heilmann und weitere Vertreter des Landkreises beschäftigen. Das berichtete Kreisrätin Ute Spieler in der Sitzung des Umweltausschusses.

Landkreis Gifhorn geht von „deutlichem Zuwachs“ an Windkraft aus

Bereits kurz nach der Information des Umweltministeriums, dass künftig 2,2 Prozent der Fläche in Niedersachsen für Windenergieanlagen genutzt werden sollen, gab es eine Videokonferenz des Regionalverbandes, an der auch Experten des Landkreises Gifhorn teilnahmen. Wie Spieler erläuterte, sei für die Planung der Regionalverband Braunschweig zuständig. Auf das Gesamtgebiet bezogen soll der auszuweisende Flächenanteil für Windkraft künftig 3,26 Prozent betragen, bisher waren es 1,4 Prozent.

Spieler geht von einem „deutlichen Zuwachs“ für den Landkreis Gifhorn aus. Im Umweltausschuss war von rund 75 Quadratkilometern die Rede, ein Gebiet so große wie die Samtgemeinde Isenbüttel, monierte ein Kritiker.

Herbert Pieper (CDU) und Arne Duncker (Grüne) berichteten, dass das Thema auch im Fachausschuss des Regionalverbands bereits diskutiert worden sei. Mehrfach kamen Zweifel auf, ob die erforderlichen Planverfahren bis Ende 2026 umgesetzt werden könnten. Allerdings sei es wichtig, entsprechende Vorrangflächen auszuweisen. Gibt es die nicht, müssten Anträge von Investoren unter Umständen als privilegierte Bauvorhaben behandelt werden.

Koordinationsstelle der Natur- und Umweltschutzverbände besorgt

Stefanie Hillmann, Geschäftsführerin der Koordinationsstelle der Natur- und Umweltschutzverbände im Landkreis Gifhorn (Konu), zeigte sich angesichts der politischen Ziele besorgt und sprach von „gigantischen Flächen“. Sie verwies auf die Netzinfrastruktur und warnte davor, dass Strom produziert, aber nicht genutzt werden könne, weil das entsprechende Leitungsnetz nicht vorhanden sei. Dann hätten die Betreiber unter Umständen Anspruch auf Entschädigung. Das Geld zahle der Energieversorger, der es dann auf den Strompreis umlegt – „das wäre völliger Irrsinn“, so Hillmann.

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