Gastronomen und Betreiber von Kultureinrichtungen kennen sich untereinander kaum. Sie arbeiten zu gleichen Zeiten, die Freizeit anderer Menschen ist ihre Arbeit. Zum Abschalten gehe ich ungern zu Konzerten oder in die Disco. Auf Konzerten anderer Veranstalter arbeite ich weiter. Während die Besucher sich amüsieren, beobachte ich den ganzen Betrieb und schätze, wie viel Geld der Veranstalter dabei war, zu verlieren. Oder in einer Diskothek: „Das kann nicht wahr sein, wie spielt der DJ denn?“ Aber Essen gehe ich schon gerne. Ich habe im Laufe der Jahre viele Mitbewerber an den Kassen der Großhandelsgesellschaften kennengelernt. Da ich aber Betreibern von Kultureinrichtungen beim Einkauf selten begegne, gehe ich zu ihnen.

Das begann vor einigen Jahren mit dem Betreiber der Komödie am Altstadtmarkt. Es ist mein Traum irgendwann Theaterstücke zu schreiben. Ich hörte, dass die Komödie ihre eigenen Produktionen auf die Bühne bringt und ging zum Chef. Er bestätigte die Aussage einer Freundin und bat mich, ihm meine Texte zuzusenden, wenn ich soweit bin.

Auf Themensuche

Einige Wochen später begann ich für die Braunschweiger Zeitung zu schreiben. Aus Zeitmangel bleiben die Inspirationen in meinem Kopf. Aber je älter ich werde, desto unsicherer werde ich in Bezug auf meine Themen.

Ich frage mich, ob es überhaupt ein Interesse für sie geben wird. Die Menschen wollen sich entweder blind amüsieren oder die Welt durch feste Schablonen sehen. Ein Geflüchteter aus Afrika unterhält sich mit mir anders als mit einem Deutschen. So werde ich an das Themen anders herangehen. Wenn ich aber an diese Figur „Geflüchtete in Deutschland“ herantrete und beobachte, wie die Gesellschaft sich bemüht, damit diese Menschen nicht ausgebeutet werden, frage ich mich, warum die ihr ganzes Vermögen an die daheimgebliebene Verwandtschaft überweisen. Eine Selbstausbeutung.

„Was wird siegen? Die Liebe oder das Gewissen?“

Ein anderes Thema, das mich fasziniert, ist das Zusammenspiel zwischen Rationalität, Moral und Liebe. Einer Lateinamerikanerin, mit der ich studiert habe, bin ich vor kurzem begegnet. Sie ist in einen ehemaligen deutschen Kommilitonen verliebt. Sie möchte aber partout eine Liaison mit ihm vermeiden, weil sie mit der Ex-Freundin des Mannes, einer Westafrikanerin, studiert hat und mit ihr noch befreundet ist. Das Interessante daran ist, dass die Westafrikanerin in die Heimat zurückgekehrt ist und 10.000 km von Braunschweig entfernt lebt. Dank Internet sind sie zwar in Kontakt, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich je wiedersehen werden, ist sehr gering. Was wird siegen? Die Liebe oder das Gewissen?

Ein guter Erzähler

Eines Tages fuhr ein Transporter an mir vorbei. Ich las den Schriftzug: Das Kult – das kleinste Theater. Ich dachte: „Ich muss mich mit ihm unterhalten.“ Ich schrieb ihm eine E-Mail und prompt hatten wir einen Termin. Es war eine fröhliche Begegnung, während der wir uns über eine eventuelle Zusammenarbeit unterhielten. Und so fiel mir vor einigen Tagen die Eigentümerin des Lindenhofs am botanischen Garten ein. Ich fahre jeden Tag an dem Gebäude vorbei. Ich schrieb ihr eine Nachricht, dass ich mit Interesse die Renovierungsarbeit verfolge. Sie rief mich an. Wir vereinbarten einen Termin in dem Gebäude. Sie zeigte mir die Räumlichkeiten, die ich mit Begeisterung entdeckte. Während sie mich durch die Räume führte, sah ich ein mondänes Flair auf Braunschweig zukommen.

Nachdem wir uns ausführlich über Kultur und Theater unterhalten hatten, sagte sie zu mir, dass sie meine Gaststätte auch kennenlernen möchte. Sie kam am Wochenende mit ihrem Mann. Es war, als ob wir drei uns seit Jahren kennen würden. Wir lachten viel. Am Ende sagte sie: „Du bist ein guter Erzähler. Man hört dir gerne zu.“ Ein Satz, den ich immer wieder höre und der lange in meinem Kopf blieb, nachdem wir uns verabschiedet hatten.

Ich fragte mich aber, warum ich mit dem Erzählen meinen Lebensunterhalt nicht verdienen kann? Ich fing an zu fantasieren. Vielleicht sollte ich eine Show ins Leben rufen und regelmäßig einfach vor Publikum auftreten. Aber dann fiel mir meine Unfähigkeit ein, über Nicht-Probleme zu reden. Von Problemen will niemand etwas wissen.

Luc Degla hat im Benin Mathematik und in Moskau und Braunschweig Maschinenbau studiert. Der freie Autor lebt in Braunschweig. In seiner Kolumne beschreibt er sein Leben mit den Deutschen.