Braunschweig. Oberbürgermeister Kornblum forderte AfD-Verbot. Auch die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo sprach auf dem Schlossplatz.

Wie in vielen anderen Städten bundesweit haben an diesem Samstag auch in Braunschweig Tausende ein Zeichen gegen rechts gesetzt. Organisiert wurde die Kundgebung vom Stadtschülerrat und den Jusos Braunschweig. Das Motto: „Kein Fußbreit dem Faschismus – nie wieder ist jetzt!“ Der Schlossplatz war so voll, wie man es zuletzt im Jahr 2019 bei der Demo gegen den damaligen AfD-Bundesparteitag erlebt hat. Die Polizei sprach von schätzungsweise 15.000 Menschen. Die Kundgebung sei friedlich und störungsfrei verlaufen. Von 14 bis 16 Uhr kam es zu Verkehrsbehinderungen. Der Bohlweg war in beide Richtungen gesperrt, Straßenbahnen und Busse konnten nicht fahren; auch weitere Straßen in der Innenstadt mussten gesperrt werden.

Gleich zu Beginn sprach Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum von einem „starken Zeichen gegen diesen braunen, widerlichen Sumpf aus AfD-Mitgliedern, Neonazis und Faschisten“ und bezog sich damit direkt auf die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv: Demnach planten hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer hinter verschlossenen Türen die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland – von Menschen mit Migrationshintergrund und Andersdenkenden. Das Treffen soll im November in Potsdam stattgefunden haben.

„Wenn uns unsere Enkel fragen: Wo wart ihr 2024, ihr, die ihr im Geschichtsunterricht gelernt habt, wie die Nazis die Welt in den Abgrund gezogen haben, ihr, die ihr wusstet, was die Rechten am Wannsee geplant haben, ihr, die ihr den Plan, unsere Republik zu zerstören und die Menschenwürde mit Füßen zu treten, kanntet. Dann könnt Ihr sagen: Wir sind aufgestanden, um zu zeigen: Bis hierhin und nicht weiter!“, so Kornblum. Niemand dürfe zusehen, wie Nachbarn, Freundinnen, Kollegen und andere Mitmenschen bedroht werden. Alle Mittel des Rechtsstaates müssten eingesetzt werden. „Und ja, dazu gehört auch ein Parteienverbot. Wir wollen nicht, dass Hass und Hetze mit Steuergeldern auch noch bezahlt werden!“

Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum betonte: Niemand dürfe zusehen, wie Nachbarn, Freundinnen, Kollegen und andere Mitmenschen bedroht werden. 
Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum betonte: Niemand dürfe zusehen, wie Nachbarn, Freundinnen, Kollegen und andere Mitmenschen bedroht werden.  © Braunschweig | Stefan Lohmann

Kornblum bekräftigte: „Wenn diese Leute meinen, sie hätten die schweigende Mehrheit auf ihrer Seite, dann rufen wir ihnen heute zu: Die übergroße Mehrheit steht gegen euch, hier ist die Mitte der Gesellschaft, hier ist die Zivilgesellschaft, auf diesem Platz und in ganz Deutschland! Vielfalt ist stärker als Hass. Ich will, dass unsere Kinder und unsere Enkel in dem gleichen freien und gerechten Europa aufwachsen. Wir lassen uns nicht spalten, wir halten zusammen. Nicht die Rechten, sondern wir alle sind die Mehrheit. Wir sind stark, weil wir geschlossen sind und weil wir einig sind. Wir sind entschlossen, unser Land und unsere Demokratie nach 1945 nicht ein zweites Mal zerstören zu lassen. Nie wieder, nie wieder Faschismus!“

Der Braunschweiger Schlossplatz war bereits vor Beginn der Kundgebung gefüllt.
Der Braunschweiger Schlossplatz war bereits vor Beginn der Kundgebung gefüllt. © regios24 | Stefan Lohmann

Atakan Koçtürk: Deutschland ist meine Heimat und ihr kriegt mich und uns hier nicht raus!

Auch Hauptorganisator Atakan Koçtürk, Sprecher des Stadtschülerrats, forderte: „Die AfD gehört verboten!“ Er schilderte persönliche Erfahrungen: „Meine Großväter sind nicht nach Deutschland gekommen und haben dieses Land aufgebaut, damit ihre Enkelkinder von irgendwelchen Faschisten aus diesem Land geschmissen werden. Deutschland ist meine Heimat und ihr kriegt mich und uns hier nicht raus! Wenn meine Oma beim Einkaufen aufgrund ihres Kopftuches beleidigt und angespuckt wird, wenn meine kleine Schwester von Mitschülern in der Grundschule hört, geh zurück in deine Heimat, und wenn sie mich fragt: ,Atakan, wie sicher bin ich eigentlich in Deutschland?‘ Was soll ich ihr antworten?“

Atakan Koçtürk, Sprecher des Stadtschülerrats und Hauptorganisator, sagte, die Demokratie sei so stark gefährdet wie lange nicht mehr. 
Atakan Koçtürk, Sprecher des Stadtschülerrats und Hauptorganisator, sagte, die Demokratie sei so stark gefährdet wie lange nicht mehr.  © regios24 | Stefan Lohmann

Er kritisierte auch die CDU: Die Partei werte Menschen anderer Herkunft ab, so Koçtürks Meinung, und mache sich damit zum Wegbereiter rechter Ideologie. Die CDU müsse sich deutlicher von rechts abgrenzen und beweisen, dass sie zu den demokratischen Prinzipien Deutschlands stehe und dass die Werteunion nicht zur CDU gehöre.

„Wir haben uns versprochen, dass so etwas Schreckliches wie der Holocaust, bei dem Menschen aufgrund ihrer Religion, politischen Einstellung, Nationalität verfolgt und ermordet wurden, nie wieder passieren wird“, so Atakan Koçtürk. „Nie wieder sollte ein Mensch aufgrund seiner Religion, sexuellen Orientierung oder weil seine Familie nicht schon immer in Deutschland gelebt hat, Angst haben. Aber genau diese Menschen haben heute so viel Angst wie lange nicht mehr. Deswegen ist es so wichtig zu sagen: Nie wieder ist jetzt, nie wieder ist immer.“

Jetzt gehe es darum, fernab von politischen Debatten, fernab von Parteibüchern die Demokratie zu verteidigen. „Sonst haben wir am Ende nichts mehr, was es zu verteidigen gibt. Diese Gefahr ist so reell, wie seit langer Zeit nicht mehr. Lasst uns heute alle zusammen für unsere Demokratie einstehen. Sie braucht uns, sie ist krank, und der Krankheitserreger sind Faschistinnen und Faschisten.“

Die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo betonte: „Wir müssen Antworten finden auf die Verunsicherung.“
Die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo betonte: „Wir müssen Antworten finden auf die Verunsicherung.“ © regios24 | Stefan Lohmann

VW-Betriebsratsvorsitzende: Wir müssen Antworten auf die Verunsicherung finden

Daniela Cavallo, Betriebsratsvorsitzende bei Volkswagen mit Verantwortung für weltweit mehr als 650.000 Beschäftigte, sagte, bei der diskutierten „Remigration“ gehe es um Deportation von Millionen Menschen. „Ich bin eine von denen, die diese AfD meint. Aber wir lassen uns nicht vertreiben, und alle Menschen, die in Deutschland leben, gehören hierher“, sagte sie und ergänzte mit Blick auf die AfD: „Die gehören nicht hierher.“

Zugleich betonte sie: „Es ist zu kurz gesprungen, alle Menschen, die in diesem Land verunsichert sind, zu verteufeln. Wir müssen Antworten finden auf die Verunsicherung. Wir müssen in Dialog treten und dafür sorgen, dass es Zukunftsperspektiven gibt. Lasst uns zusammenstehen und dafür sorgen, dass die Wahlen gedreht werden, die vor uns liegen, und dass Deutschland uns gehört.“

Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller appellierte an die Wirtschaft, sich stärker finanziell gegen Rechtsextremismus einzusetzen.
Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller appellierte an die Wirtschaft, sich stärker finanziell gegen Rechtsextremismus einzusetzen. © Braunschweig | Stefan Lohmann

Verdi-Bezirksgeschäftsführer: Die AfD ist keine Protestpartei

Sebastian Wertmüller, Verdi-Bezirksgeschäftsführer, zählte fünf Punkte auf: „Erstens: Die AfD ist seit Jahren keine Protestpartei, keine Partei der Unzufriedenen und schon gar keine Schlechte-Laune-Partei. Das alles sind Verharmlosungen eines rassistischen, nationalistischen Mobs und seiner rassistisch und nationalistisch verhetzten Wählerinnen und Wähler. Ich habe keine Lust mehr auf die Befindlichkeitsargumentation, wir sollten die nicht in die Opferrolle drängen. Die sind in der Täterrolle, da müssen wir sie greifen!“

Sein zweiter Punkt: Wer so rede und hetze wie die AfD, trage zu deren Wachstum bei. „Wenn es gegen Flüchtlinge geht, wenn das Asylrecht weiter entkernt wird, wenn es gegen Menschen geht, die Bürgergeld beziehen, dann ist das die Basis auch für Schlimmeres“, so Wertmüller. „Drittens: Der Erhalt der Demokratie ist kein Spurt, sondern ein Langstreckenlauf. Wer die Nazis und die Rechtsextremen bekämpfen will, muss auch dauerhaft unterstützen, Initiativen fördern, nicht behindern. Immer dann, wenn‘s brennt, an die Zivilcourage zu appellieren und die Bühne zu entern, das ist zu wenig.“

Rund 15.000 Menschen demonstrierten am Samstag auf dem Braunschweiger Schlossplatz gegen die AfD und Rechtsextremismus.
Rund 15.000 Menschen demonstrierten am Samstag auf dem Braunschweiger Schlossplatz gegen die AfD und Rechtsextremismus. © Braunschweig | Stefan Lohmann

Wertmüller appellierte viertens an die Wirtschaft: „Es geht um Eure Beschäftigten auch hier in Braunschweig! Deswegen fordere ich die großen Unternehmen und Wirtschaftsverbände auf, sehr schnell gemeinsam mit uns zu den Europawahlen ein Konzept für ein demokratisches, offenes, soziales Braunschweig zu entwickeln, in dem rechte Hetze und Nazis keinen Platz finden. Ich träume von einer großen gemeinsamen Spende aus der Wirtschaft für Schulprojekte an Berufsschulen, für Informationskampagnen und Infoangebote direkt in den Betrieben.“

Und er beendete seinen Beitrag mit dieser Feststellung: „Fünftens: Die Demokratie wird nur von der Zivilgesellschaft gerettet werden. Menschen, die anders aussehen, eine andere Religion haben als ich Urdeutscher, die brauchen unsere Solidarität am meisten. Muslime, Jüdinnen und Juden, Menschen aus der Ukraine, Flüchtlinge und ganz viele andere. Diesen Schutz müssen wir ihnen garantieren.“

Michaela Lange vom „Bündnis gegen Rechts“ appellierte an die Menge: „Lasst uns alle gemeinsam für ein gutes Leben kämpfen!“
Michaela Lange vom „Bündnis gegen Rechts“ appellierte an die Menge: „Lasst uns alle gemeinsam für ein gutes Leben kämpfen!“ © regios24 | Stefan Lohmann

Michaela Lange, Vertreterin des „Bündnis gegen Rechts“, sagte: „Es gibt keine rechte Ideologie ohne Gewalt gegen Menschen. Es geht darum, sich Ressourcen anzueignen, sie dem Großteil der Menschen vorzuenthalten und das gewaltvoll durchzusetzen. Dagegen müssen wir mit jeder Faser unseres Körpers kämpfen.“ Nötig sei konsequentes Handeln anstelle von Sonntagsreden. „Lasst uns alle gemeinsam für ein gutes Leben kämpfen!“

Viele Tausend Menschen demonstrierten am Samstag auf dem Braunschweiger Schlossplatz gegen die AfD und Rechtsextremismus.
Viele Tausend Menschen demonstrierten am Samstag auf dem Braunschweiger Schlossplatz gegen die AfD und Rechtsextremismus. © Braunschweig | Stefan Lohmann

Braunschweiger SPD-Chef Pantazis: Braunschweig, lerne aus Deiner Geschichte!

Der Braunschweiger Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des SPD-Unterbezirks, Christos Pantazis, sprach von einer neuen Stufe der Bedrohung. Der Begriff Remigration sei ein rechter Kampfbegriff, der nichts anderes besage, als dass man Millionen Menschen deportieren wolle: „Ausländer, Deutsche mit Migrationshintergrund, so wie ich, Andersdenkende, so wie ihr alle.“

Er betonte: „Das ist unser aller Land, und in diesem Land ist kein Platz für Faschismus. Wir stehen für Vielfalt und Demokratie. Wir sind mehr!“ Wie Oberbürgermeister Thorsten Kornblum forderte auch Pantazis ein Prüfverfahren für ein Parteienverbot insbesondere in Hinblick auf die AfD-Landesverbände, die als gesichert rechtsextrem gelten, auch wenn das alleine nicht die Lösung sein könne. Aber Angriffe auf Artikel 1 des Grundgesetzes – die Würde des Menschen ist unantastbar – dürften nicht toleriert werden.

Der Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis bekräftigte: „Das ist unser aller Land, und in diesem Land ist kein Platz für Faschismus.“
Der Braunschweiger Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis bekräftigte: „Das ist unser aller Land, und in diesem Land ist kein Platz für Faschismus.“ © Braunschweig | Stefan Lohmann

Sein Appell: „Braunschweig, lerne aus Deiner Geschichte. Stehe auf mit dem heutigen Tag, stehe auf, verteidige deine Demokratie, verteidige deine Vielfalt, verteidige die Art und Weise, wie du lebst und wie du liebst. Steh auf und wehr dich! Keinen Platz für Faschismus! Wehret den Anfängen, nie wieder ist jetzt!“

Landesbischof: Wir protestieren, wenn Politiker Ängste schüren und Lügen verbreiten

Landesbischof Christoph Meyns trug Sätze aus der Bergpredigt vor: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“

Diese Sätze machten deutlich, wofür die Kirche stehe, sagte Meyns: Frieden, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Solidarität. „Deshalb protestieren wir als Kirche, wenn Pläne geschmiedet werden, um Menschen zu deportieren wie in den finstersten Zeiten der deutschen Geschichte. Wir protestieren, wenn gegen Menschen gehetzt wird wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Glaubens, und die sich nicht mehr sicher fühlen können in unserem Land. Wir protestieren, wenn Politiker Ängste schüren und Lügen verbreiten, Vorurteile aufbauen und versuchen, das Zusammenleben der Menschen in unserem Land mit Hass und Hetze zu vergiften.“

Landesbischof Christoph Meyns: „Wir protestieren, wenn Politiker Ängste schüren und Lügen verbreiten, Vorurteile aufbauen und versuchen, das Zusammenleben der Menschen in unserem Land mit Hass und Hetze zu vergiften.“
Landesbischof Christoph Meyns: „Wir protestieren, wenn Politiker Ängste schüren und Lügen verbreiten, Vorurteile aufbauen und versuchen, das Zusammenleben der Menschen in unserem Land mit Hass und Hetze zu vergiften.“ © regios24 | Stefan Lohmann

Zugleich müssten sich alle aber auch dies fragen: „Warum finden Parolen voller Häme, Wut und Hass so viel Resonanz? Warum wählen Menschen in zunehmendem Maße Parteien, die auf Ausgrenzung und Abwertung setzen? Welche Brüche werden sichtbar, und was können wir tun, um diese Brüche zu überwinden?“

Meyns appellierte an alle: Demokratie könne auch demokratisch abgeschafft werden, wenn man nicht dafür einstehe. „Das Wichtigste, was wir jetzt tun können, ist, uns miteinander zu vernetzen und zusammenzustehen, auch über alles hinweg, was uns voneinander trennen mag. Lasst uns zusammenstehen für einen guten Umgang mit den Spannungen in unserem Land.“

Özcan Irkan, Vorsitzender des Niedersächsischen Integrationsrates, mahnte: „Remigration ist doch keine neue Forderung. Vertreibung von vermeintlich Fremden gab es schon einmal in der Geschichte Deutschlands.“
Özcan Irkan, Vorsitzender des Niedersächsischen Integrationsrates, mahnte: „Remigration ist doch keine neue Forderung. Vertreibung von vermeintlich Fremden gab es schon einmal in der Geschichte Deutschlands.“ © regios24 | Stefan Lohmann

„Wir wollen friedlich, respektvoll miteinander leben“

Özcan Irkan, Vorsitzender des Niedersächsischen Integrationsrates, sagte: „Remigration ist doch keine neue Forderung. Vertreibung von vermeintlich Fremden gab es schon einmal in der Geschichte Deutschlands. Es wird nicht nur die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte treffen, es wird uns alle betreffen, und es wird für alle Konsequenzen haben.“ Irkan machte deutlich, dass Deutschland für alle hier lebenden Menschen Heimat sei, egal ob zugezogen oder hier geboren. „Heimat, in der wir eigentlich alle nur eins gemeinsam wollen, nämlich friedlich, respektvoll miteinander leben.“

Musikerinnen des Rapprojekts „Knowledge“ sorgten für den musikalischen Rahmen. Auch Mitglieder der linksradikalen Gruppe „In/Progress“ kamen zu Wort. Am Rande der Kundgebung wurden Spenden für die Flüchtlingshilfe Refugium in Braunschweig und für antifaschistische und antirassistische Projekte gesammelt.

Breites Bündnis unterstützte die Kundgebung in Braunschweig

Der Sprecher des Stadtschülerrats, Atakan Koçtürk, hatte vor der Demo gegenüber unserer Redaktion erklärt: „Wir positionieren uns klar gegen jegliche Form von Rassismus, Diskriminierung und Angriffen auf Grund- und Menschenrechte.“ Es handele sich um eine Kundgebung gegen „die faschistische Ideologie der AfD und der Werteunion“.

Ein breites Bündnis an Verbänden, Organisationen und Parteien unterstützte die Veranstaltung: Die „Omas gegen Rechts“ waren ebenso dabei wie der Asta der TU Braunschweig, das Bündnis gegen Rechts, das Haus der Kulturen und die Gewerkschaften Verdi, DGB und GEW. Auch Die Linke, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen gehörten zu den Unterstützern, die Seebrücke Braunschweig, der Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen, die „Kirche für Demokratie - gegen Rechtsextremismus Niedersachsen“ (IKDR) der Propstei Braunschweig und weitere örtliche Organisationen und Initiativen.

Mehrere Unternehmen in der Region hatten zur Teilnahme aufgerufen. Außerdem hatte sich zum Beispiel der Braunschweiger Seniorenbeirat zu Wort gemeldet und betont: „Demokratie findet nicht nur im Bundestag und in den Landtagen statt, sie lebt in unserem persönlichen Umfeld.“

Auch der Zentralrat der Muslime in Niedersachsen hatte zur Teilnahme aufgerufen. Der Vorsitzende, der Braunschweiger Sadiqu Al-Mousllie, sagte: „Alle in Deutschland sind heute mehr denn je gefragt, Gesicht zu zeigen. Wir Muslime sollten dabei sichtbar sein. Denn es geht um nicht weniger als unsere Existenz in Deutschland. Unser Land, unsere Demokratie braucht unsere laute Stimme für Vielfalt und gegenseitigen Respekt.“

CDU kritisierte den Braunschweiger Stadtschülerrat

Im Vorfeld der Kundgebung hatte es am Freitag Irritationen gegeben: Der CDU-Kreisverband beklagte in einer Pressemitteilung, dass die CDU von den Organisatoren nicht eingeladen worden sei. „Der Kampf gegen Faschismus und Extremismus muss von den Demokraten entschlossen und gemeinsam geführt werden“, so die Braunschweiger CDU. „Die Aufkündigung eines Konsenses der Demokraten und eine durchsichtige parteipolitische Instrumentalisierung durch die Jusos Braunschweig und den Stadtschülerrat hilft und stärkt einzig Extremisten.“

Man bedauere es ausdrücklich, dass von den Organisatoren der Schulterschluss der Demokraten gezielt nicht gebildet werde. Und weiter: „Die parteipolitische Aufkündigung des gemeinsamen Einsatzes der Demokraten gegen Extremismus ist ein großer Fehler, vor allem wenn die Braunschweiger Organisatoren den Kampf gegen Rechtsextremisten gemeinsam mit Linksextremisten führen wollen“, so die CDU weiter.

„Linksextremistische Organisationen sind die erkennbar falschen Unterstützer im notwendigen Einsatz der demokratischen Mitte gegen Extremisten. Die Organisatoren der Braunschweiger Kundgebung am 20. Januar müssen ihren Irrweg verlassen. Den Kampf gegen Extremisten gewinnt man nur gemeinsam. Die CDU und die Junge Union sind dazu bereit!“

Braunschweiger Stadtschülerrat wies die Vorwürfe als falsch zurück

Atakan Koçtürk und Simon Pladwig, Sprecher des Stadtschülerrats, konterten am Freitagabend ebenfalls mit einer Pressemitteilung: Sie sprachen von nicht tragbaren und falschen Vorwürfen. „Als Veranstalter der angemeldeten Kundgebung sind wir als Stadtschülerrat verpflichtet, uns an unsere parteipolitische Neutralität, gegeben durch unsere Satzung, zu halten“, erläuterten sie. Wenn sie eine demokratisch gewählte und in einem kommunalen, Landes- oder Bundesparlament vertretene Partei eingeladen hätten, wären sie verpflichtet gewesen, auch alle weiteren relevanten demokratisch gewählten Parteien einzuladen. „Dies hätte bedeutet, dass wir auch die Alternative für Deutschland hätten einladen müssen.“

Daher habe sich der Vorstand des Stadtschülerrates entschieden, keine politische Partei einzuladen. „Alle politischen Parteien, die bei der Kundgebung anwesend sein werden und die Veranstaltung unterstützen, sind eigeninitiativ auf den Stadtschülerrat zugekommen.“ Sie berichteten weiter, dass sie am Freitag einen schon seit drei Wochen feststehenden Termin mit der CDU und der JU Braunschweig gehabt hätten. „Statt auf unser Gespräch zu warten, um die falschen Behauptungen aufzuklären, wurde seitens der CDU zwei Stunden vor unserem Treffen die Pressemitteilung veröffentlicht“, so Atakan Koçtürk und Simon Pladwig.

Und: „Als Interessenvertretung der 35.000 Schülerinnen und Schüler der Stadt Braunschweig bedauern wir diesem Weg der gewählten Kommunikation der CDU und JU Braunschweig außerordentlich und mahnen, den Konsens der Demokratinnen und Demokraten nicht aufzukündigen.“

Hintergrund der Kundgebung sind Enthüllungen über Geheimplan zur Vertreibung

Hintergrund der Protestveranstaltung waren die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv in der vergangenen Woche: Hochrangige AfD-Politiker, Neonazis und finanzstarke Unternehmer planten demnach hinter verschlossenen Türen die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland: von Menschen mit Migrationshintergrund und Andersdenkenden. Das Treffen soll im November in Potsdam stattgefunden haben.

In den vergangenen Tagen haben bereits viele tausend Menschen in Berlin, Potsdam und weiteren Städten für den Erhalt der Demokratie demonstriert. Allein zur Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin kamen laut Veranstaltern und Polizei rund 25.000 Menschen. Teilnehmer trugen laut Medienberichten Plakate mit Slogans wie „Bunt statt braun“, „Es ist Zeit, die Demokratie zu verteidigen“, „Wehrhafte Demokratie“, und „Stoppt die Brandstifter. Stoppt die AfD“.

Die Parteiführung der AfD in Berlin hatte in den vergangenen Tagen versucht, zu beschwichtigen und die Bedeutung des Treffens herunterzuspielen. Alles sei „vollständig im Einklang mit dem Grundgesetz“, so ein Sprecher von Parteichefin Alice Weidel gegenüber „ZDF heute“. Zugleich wird der Bundestagsabgeordnete René Springer zitiert mit der X-Meldung: „Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“