Braunschweig. Kurz vorm Jahreswechsel sinken die Pegel in Braunschweig. Und wir begeben uns auf die Suche: Was macht das Hochwasser mit uns?

Überall in Okernähe bietet das Hochwasser in diesen Tagen ganz neue Perspektiven in gänzlich veränderten Landschaften - und, ja, zum Glück sinken 24 Stunden vor Silvester in Braunschweig die Pegelstände weiter mählich, und der Regen tröpfelt nur. Gute Aussichten für den Jahreswechsel, also bis hierhin.

Die Nachrichtenlage ist einigermaßen entspannt, das Regenradar sagt einstweilen nichts Bedrohliches voraus, und so erkunden wir einmal Braunschweigs Venedig rund um die Wiesentalbrücke von Veltenhof, jenes Gestade, das regelmäßig als erstes Land unter in der Löwenstadt meldet. Und treffen hier Hannelore Wrehde aus der Mannheimstraße, seit dem Umzug aus der Innenstadt schon schon seit 30 Jahren Veltenhöferin.

Die Spaziergängerin sagt: „So habe ich die Oker hier noch nie gesehen“

Und gleich sagt die 68-Jährige, die sich auskennt, denn sie erkundet hier täglich die Lage, einen Satz, den wir sofort notieren: „So habe ich die Oker hier noch nie gesehen, so überflutet habe ich es hier noch nicht gesehen“, sagt sie. Tatsächlich machen wir ein Foto im Sonnenuntergang, auf dem es ausschaut wie am Okermeer.

Aber das hat auch Konsequenzen für die täglichen Wege. Normalerweise hat Frau Wrehde Mila dabei, es ist eine bildhübsche Eurasier-Hündin, vier Jahre alt. Die braucht viel Auslauf, aber die Strecken in Veltenhof sind in Zeiten des Oker-Hochwassers deutlich limitiert. „Die Hunderunden werden grad immer kleiner. Du kommst halt nicht so weit, weil immer irgendwo das Wasser steht“, sagt sie.

Grad ist Mila bei der Enkelin, Hannelore hat nochmal rausgeschaut zur Wiesentalbrücke und dann ein Stück weiter auf der berüchtigten Kreisstraße 25 zwischen Okerbrücke und Celler Heerstraße in Richtung Ölper, Autobahn und Watenbüttel, dieses notorisch nasse Loch, das immer als erstes gesperrt wird und natürlich jetzt auch wieder komplett überschwemmt ist. Regelmäßig, manchmal sogar zwei Mal am Tag, schaut sie hier nach dem rechten. „Ob es sich verzogen hat“, sagt sie.

Na ja, ein bisschen. Man kann es kurz vor Silvester an einer Art Pegel aus Okerschlick auf der Straße Am Wiesental deutlich sehen. So drei bis vier Meter, schätzen wir beide, hat sich das Okerwasser schon wieder zurückgezogen. So kann‘s weitergehen, aber sicher ist das nicht.

Lokale Perspektiven auf einer Art Landspitze, na ja, alles en miniature

Ohnehin mutet das alte Pfälzerdorf Veltenhof, von der mäandernden Oker liebevoll umschlungen und von ihren Hochwasser-Ausweichflächen in den Schwitzkasten genommen, gerade wie eine Art Halbinsel im Okermeer an. Da wo wir Hannelore Wrehde treffen, fotografieren wir sie auf einer Art Landspitze, na ja, alles en miniature.

Allerdings wird Veltenhofs partielle Isolation langsam lästig, denn nicht nur Richtung Westen raus geht‘s jetzt nicht weiter, auch nach Norden Richtung Wenden ist ja wegen der Dauer-Baustelle auf der Veltenhöfer Straße (endlose Leitungsarbeiten und dazu noch der Bau von zwei Kreisverkehren) kein Durchkommen.

Bleibt als einziger Ausweg derzeit nur das Nadelöhr Schmalbachstraße Richtung Zentrum. Die Sache hat dann übrigens auch wirtschaftliche Nachteile. Immer mal wieder wochenlang fährt in Veltenhof kaum einer rein und raus, sondern muss sich weiträumige Umwege suchen, zum Beispiel täglich ein paar hundert Menschen, die zur Arbeit bei VW Financial Services fahren - und vielleicht ja unterwegs in der Regel noch Besorgungen zu erledigen haben.

Wie auch immer, in Veltenhof am Okermeer, wenn auch nur temporär, wovon auszugehen ist, bieten sich für Hannelore Wrehde und viele andere nun massenhaft postkartenreife Ansichten, fast schon ein Stück Lebensqualität mehr in ohnehin schon reizvoller Landschaft am Rand der großen Stadt.

Die Weite des Wassers, man muss es sagen, solange sie nicht Keller flutet und Schäden anrichtet, lockt zu einer Anmutung von Strandspaziergang, und rein psychologisch hat das Wellengekräusel stark beruhigende Wirkung.

Am Ende ein Fazit: Diese Oker hält uns alle in Trab

So kommen gute Gedanken, gerade zum Jahreswechsel, was wir gerade fast wie Medizin gebrauchen können, wozu auch frische Sauerstoffbrisen am Okermeer von Veltenhof beitragen.

Wie lange das wohl noch so geht, bis dann wieder die Autos im Wiesental durchbrausen, eilig, ruhelos, ungnädig, ganz schnell hupend, das weiß keiner so genau. Hannelore Wrehde, die wir hier gern getroffen haben, geht davon aus, rein subjektiv, dass es bestimmt noch zwei Wochen dauern könnte. Wenn nicht noch weitere Rekord-Regenfälle den Veltenhöfer Meeresspiegel konservieren.

Und vermutlich wird man dann ja auch die so lange überspülte Fahrbahn im Wiesental zwischen Okerbrücke und Celler Heerstraße, eben erst umfänglich saniert und freigegeben, wieder mal fachkundig und straßenbautechnisch mit deutscher Gründlichkeit in Augenschein nehmen müssen.

Tja, diese Oker hält uns alle in Trab.