Braunschweig. „Mili“ war eine besondere Persönlichkeit mit Stil, Disziplin und Herzlichkeit – Betrachtungen zum Tod von Melitta Grelle-Wieduwilt

Stil, Disziplin, Herzlichkeit – Melitta Grelle-Wieduwilt war Unternehmerin. Durch und durch. Ihr Friseursalon an der Neuen Straße war nicht irgendein Salon, er war eine Institution. „Ich bin bei Mili“, war auch meine klare Antwort, wenn ich nach meinem Friseur gefragt wurde (und werde). Denn ich bin seit gefühlt immer Kundin im Mili’s Haarsalon. Ein lebendes Testimonial sozusagen. Jetzt ist Melitta Grelle-Wieduwilt gestorben. Im Alter von 78 Jahren.

In ihren glänzenden Zeiten arbeiteten bei Mili – wie sie von fast allen liebevoll genannt wurde – mehr als 30 Friseurinnen und Friseure und im Schnitt sechs Azubis. Ihr Geschäft war die In-Adresse in Sachen Schönheit.

Gern sagte Mili: „Ihr könnt hier Gas geben wie auf der Autobahn, aber ich bin eure Leitplanke“

Das Betriebsklima war abhängig von der Stimmung der Chefin. Nicht, dass sie launisch war, aber wenn es nicht so lief, wie sie es wollte, konnte sie grantig werden. „Ihr könnt hier Gas geben wie auf der Autobahn“, hat sie gern gesagt, „aber ich bin eure Leitplanke.“„Die Chefin ist auf dem Weg“ ging mitunter ein Raunen durch den Salon, und die ganze Mannschaft schwirrte umher. Nochmal den Spiegel putzen, die Deko geraderücken, den Blumen frisches Wasser geben. Die Chefin sah alles. So viel war klar.

Streng, mitunter auch laut und deutlich, verlangte Melitta Grelle-Wieduwilt viel von ihrem Team. Dafür hat sie auch viel gegeben: Gute und pünktliche Bezahlung, erstklassige Ausbildung, hochwertige Weiterbildung.

Die Redken-Seminare in halb Europa sind legendär, der Pariser Grand-Prix der Hochsteckfrisuren gehört zu ihren Trophäen, Preise internationaler Modemagazine, die Nominierung zum „Global Salon Business Award“ in Hollywood oder die Auftritte bei der Düsseldorfer Igedo.

„Morgens um 6.45 Uhr legten wir los, zack, zack, ein Model nach dem anderen wurde von uns frisiert“, erzählte Mili voller Begeisterung von der berühmten Modemesse. Die Fotos in ihrer Hand zeigten ihre Mitarbeiterinnen auf einer Leiter, weil die gebuchten Tänzerinnen aus dem Pariser Lido einfach zu groß waren.

Etwas von dem internationalen Glanz und Glamour hat sie auch immer wieder nach Braunschweig gebracht: die Frisuren für den Märchenpark oder für eine Modenschau im Kulturzelt sind vielen noch in Erinnerung. Das waren rauschende Feste. Sie war eine geborene Gastgeberin.

Es gab einen Kreis Frauen um sie, die sie ab und an in ihr Haus in Mascherode einlud. Einmal gehörte auch ich zu diesen handverlesenen Gästen. Es war Adventszeit. Mili liebte Weihnachten. Zu ihren Hobbys gehörte das Sammeln von Christbaumschmuck. Aus aller Welt. Sie hingen an einem riesigen Adventskranz im Flur.

Das Wohnzimmer mit Glasfront zum Garten schimmerte im Licht eines Kerzenmeers, die auf goldenen oder silbernen Tellern ihren Glanz verströmten, die Stühle waren mit roten Samthussen überzogen, auf dem Tisch, auf der Terrasse, in den Bäumen – es funkelte und glitzerte überall. Handgeschliffene Gläser, blinkende Bestecke, kühler Champagner.

Das war Mili. Großer Auftritt, lange Wimpern, blonder Knoten, rote Nägel. Aber – sie war nie hochnäsig oder ignorant. Sie hat sich eingesetzt für Unicef, den Kinderschutzbund, die Braunschweiger Tafel oder für Altenheimbewohner. Das war auch Mili.

Schon als Kind mochte Mili diese besondere Atmosphäre, den Duft von Shampoo und Haarspray

Vielen ihrer Mitarbeiterinnen war sie nah wie eine Mutter. Sie hat sich gekümmert um „ihre Leute“, hat sich eingesetzt, hat geholfen. Mal hat sie eine Wohnung besorgt, mal Schulden ausgeglichen, mal gebrochene Herzen getröstet. Auch das war Mili.

Der Blick für das Schöne und Ästhetische war ihr in die Wiege gelegt. Erst recht die Wirkung einer guten Frisur. „Schon meine Mutter ging früher regelmäßig zum Friseur“, erzählte sie aus ihrer Kindheit, „ich habe sie gern begleitet, ich mochte diese besondere Atmosphäre, den Duft von Shampoo und Haarspray.“

Der behüteten Kindheit im Saarland folgte eine Ausbildung zur Friseurin. Dann der Umzug nach Braunschweig und die großartige Chance, als ihre Eltern ihr 1970 den Friseursalon an der Neuen Straße kaufen konnten. Da war sie 24 Jahre alt. Diese Chance hat sie ergriffen. Und genutzt. Als kluge Geschäftsfrau und Unternehmerin. Verhandlungsstark, selbstbewusst, fordernd und gebend. Das Thema Work-Life-Balance kam in Milis Welt noch nicht vor.

Ich denke, es war genau das Leben, das Melitta Grelle-Wieduwilt führen wollte. Dazu gehörten auch eine langjährige Ehe, enge Freunde und ein Feriendomizil auf Mallorca, in dem sie immer wieder für kurze Zeit abtauchte und Kraft tankte.

2019 übergab sie ihren Salon an ihre Mitarbeiterin Olga Holzer-Frei und zog sich zurück. Zuletzt haben gesundheitliche Probleme ihren Alltag beeinträchtig. Jetzt ist Melitta-Grelle Wieduwilt gestorben. Ihre Handschrift bleibt. Viele ihrer ehemaligen Mitarbeiterinnen haben sich in Braunschweig erfolgreich selbstständig gemacht.