Braunschweig. Die Gruppe „Migrantifa Braunschweig“ hatte dazu aufgerufen. Weil mehr Menschen kamen als erwartet, untersagte die Polizei den geplanten Aufzug.

„Free Palestine!“ und „Freiheit für Gaza!“ hallte am Samstagnachmittag immer wieder über den Schlossplatz in Braunschweig. 660 Menschen waren laut Polizei zu der Kundgebung gekommen, deutlich mehr als von den Organisatorinnen erwartet. Die Gruppe „Migrantifa Braunschweig“ hatte unter dem Motto „Menschenrechte für Palästinenser*innen“ zu der Demo aufgerufen. Angesichts der großen Menschenmenge untersagte die Polizei den geplanten Aufzug, sodass sich alles vor dem Schloss abspielte. Es gab keine Zwischenfälle.

Fatmé Hammoud vom Organisationsteam betonte zu Beginn: „Wir tolerieren keinen antimuslimischen Rassismus, keinen Antisemitismus oder jegliche Art der Gewalt. Wir trennen Staatskritik von Religionskritik.“

Demo in Braunschweig: „Hört auf, Zivilisten unter Generalverdacht zu stellen“

Mehrfach wurde in den Redebeiträgen die Berichterstattung deutscher Medien anlässlich der Terrorangriffe der Hamas auf Israel als einseitig kritisiert. Betül Çınar, die Gründerin von „Migrantifa Braunschweig“ sagte, diese Darstellung schaffe den Nährboden für Hass, Hetze und Gewalt. Sie appellierte: „Kritisiert die Hamas, kritisiert die Hisbollah für ihre Methoden gegen die Staatsgewalt, aber hört auf, die Zivilisten unter Generalverdacht zu stellen.“

Eine der Rednerinnen war Betül Çınar, Gründerin der Gruppe „Migrantifa Braunschweig“. 
Eine der Rednerinnen war Betül Çınar, Gründerin der Gruppe „Migrantifa Braunschweig“.  © FMN | Cornelia Steiner

Sie selbst ging auf das Massaker der Hamas und die Opfer auf israelischer Seite nicht ein, auch die weiteren Rednerinnen und Redner nicht. Die radikalislamische Palästinenserorganisation hatte Israel vor einer Woche mit tausenden Raketen und hunderten Kämpfern angegriffen. Diese richteten in mehreren Orten Süd-Israels ein Blutbad an und töteten insgesamt mehr als 1300 Menschen. Etwa 150 Menschen wurden als Geiseln verschleppt. Israel bombardiert den Gazastreifen seither fast ununterbrochen und droht mit einer Bodenoffensive, um die Hamas komplett zu zerstören. Bei den Angriffen auf den Gazastreifen wurden bisher nach Angaben der dortigen Behörden mehr als 2200 Menschen getötet, berichtet die Deutsche Presseagentur. Hunderttausende Palästinenser sind auf der Flucht.

„Palästinenserinnen und Palästinenser sind erschöpft“

„Die Palästinenserinnen und Palästinenser sind erschöpft von der andauernden Angst vor Vertreibung, dem Hass und der systematischen Gewalt, die ihnen zugefügt wird“, so Betül Çınar. An die Bundesregierung gerichtet sagte sie: „Wir brauchen Antworten, weshalb ein demokratischer Staat sich nicht gegen die Unterdrückung der palästinensischen Menschen einsetzt, sondern es mitfinanziert und Israel militärisch aufrüstet.“

660 Menschen kamen zur pro-palästinensischen Kundgebung auf dem Braunschweiger Schlossplatz.
660 Menschen kamen zur pro-palästinensischen Kundgebung auf dem Braunschweiger Schlossplatz. © FMN | Cornelia Steiner

Ayliz Tosun, ebenfalls eine der Rednerinnen von „Migrantifa Braunschweig“, sagte: „1948 wurden die Palästinenser zwangsumgesiedelt, wobei sie ihr Land, ihre Familien, ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage fast vollständig verloren haben. Die anhaltende Unterdrückung dauert mittlerweile 75 Jahre an.“ Das Leben im Gazastreifen, dem größten Freiluftgefängnis der Welt, sei geprägt von extrem lebensbedrohlichen Bedingungen. „Die Menschen haben keinen uneingeschränkten Zugang zu Wasser und Trinkwasser, leiden unter Nahrungsmittelknappheit, Elektrizitätsmangel und einem überlasteten Gesundheitssystem. Im Jahr 2020 hat der UN-Sicherheitsrat erklärt, dass der Gazastreifen unter diesen Umständen nicht mehr bewohnbar ist.“

Die Gruppe „Migrantifa Braunschweig“ hatte unter dem Motto „Menschenrechte für Palästinenser*innen“ zu der Demo aufgerufen. 
Die Gruppe „Migrantifa Braunschweig“ hatte unter dem Motto „Menschenrechte für Palästinenser*innen“ zu der Demo aufgerufen.  © FMN | Cornelia Steiner

Rednerin bei Braunschweiger Palästina-Demo: Viel zu lange geht das Blutvergießen

Dieser Krieg fordere auf beiden Seiten unschuldige Menschenleben, sagte sie. „Warum schaut die Welt zu und unternimmt nichts? Jedes Menschenleben sollte den gleichen Wert haben. Es handelt sich hier nicht um einen religiösen oder ethnischen Kampf. Es ist ein Kampf um grundlegende Menschenrechte“, betonte Ayliz Tosun. „Deutschland steht historisch in der Pflicht, der israelischen Bevölkerung beizustehen – aber nicht bedingungslos! Die Menschlichkeit muss im Vordergrund stehen, damit es endlich ein Ende nimmt. Viel zu lange geht das Blutvergießen. Das Beenden der Angriffe ist die einzige Lösung, damit beide Völker in Frieden leben können.“

Bereits am Donnerstag hatte es eine Solidaritäts-Kundgebung für Israel in Braunschweig gegeben. Nach Angaben der Polizei waren 440 Menschen dem Aufruf der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Braunschweig gefolgt.