Braunschweig. Die Antworten der Ratsfraktionen auf den Vorstoß der CDU legen nahe, dass die Bürgerinnen und Bürger um ihr Votum gebeten werden.

Wie würden die anderen Ratsfraktionen auf den Vorstoß der CDU reagieren, zur Standortfrage eines Hauses der Musik mit Konzerthalle und Städtischer Musikschule die Bürgerinnen und Bürger um ihr Votum zu bitten? Wie auf den Formulierungsvorschlag, hierfür statt Viewegs Garten im Bahnhofsquartier einen Standort innerhalb der Okerumflut festzulegen? Das fragte die Redaktion – und erhielt zum Teil deutliche und tiefgründige Antworten.

Zöge man aus der Umfrage ein Fazit, so lautete das wichtigste Ergebnis : Eine Bürgerbefragung über das Projekt wird es aller Voraussicht nach geben! Und auch ein zweites Ergebnis steht fest. Ob von der CDU, die ja in ihrem Vorstoß lediglich die Standortfrage thematisierte, gewollt oder auch nicht: Das ganze Projekt selbst, für das eine Investition im unteren dreistelligen Millionenbereich in Rede steht, dürfte dabei auf den Prüfstand kommen. Das sind die Fragen, die wir an die Fraktionen richteten:

– Stimmen Sie einem solchen Vorschlag zu - und wenn ja oder nein, mit welcher Begründung?

– Erscheint Ihnen die vorgeschlagene Fragestellung „Sind Sie dafür, dass das Zentrum für Musik (Kombination aus Städtischer Musikschule und Konzerthaus) in der Innenstadt (innerhalb der Okerumflut) errichtet wird?“ angemessen?

– Sollten Bürgerinnen und Bürger bei einem Projekt solcher Dimension ihr Votum abgeben können? – Hier eine Übersicht über die wichtigsten Sätze der uns übermittelten Stellungnahmen:

SPD-Fraktion: „Wir stimmen dem Vorschlag nicht zu. Es liegen noch nicht annähernd genügend Informationen vor, um eine Entscheidung zum Standort des Hauses der Musik treffen zu können. Zum jetzigen Zeitpunkt liegt noch nicht einmal ein Planungsentwurf vor, der als Grundlage einer Entscheidung herangezogen werden könnte. Vor diesem Hintergrund kann sich niemand … eine sachlich fundierte Meinung bilden. Der Vorstoß der CDU ist daher nicht zielführend.“ Generell seien Einwohnerbefragungen ein geeignetes Instrument, um die Vorstellungen und Wünsche der Menschen … in die politischen Prozesse einfließen zu lassen. „Im Falle eines solchen Großprojekts ist es aber nur sinnvoll, wenn ausreichend Fakten, also konkrete Planungen, Konzepte und Kostenrahmen vorliegen, wie damals im Falle des Eintrachtstadions.“

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Wir stimmen dem Vorschlag nicht zu. Der Antrag der CDU konzentriert sich auf die Standortfrage, obwohl zum jetzigem Zeitpunkt noch nicht feststeht, ob das Projekt überhaupt realisiert werden soll. Dafür fehlen uns die Konzepte und Gutachten, mit deren Erstellung die Verwaltung mit Ratsbeschluss vom 21. März 2023 beauftragt wurde.“ Man halte die Standortfrage für eine Scheindebatte, die von den echten Herausforderungen für die Innenstadt ablenken solle. Eine lebenswerte City schaffe man nicht durch Riesenbaustellen, sondern durch mehr Grün und Aufenthaltsqualität. „Wir Grünen sprechen uns klar für Bürgerbeteiligung aus, insbesondere bei Entscheidungen, die langfristige Auswirkung auf den städtischen Haushalt haben, etwa in Form dauerhafter Betriebskosten. Im Falle des Hauses der Musik wäre der richtige Zeitpunkt für eine Bürgerbeteiligung das Jahr 2025, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sein werden.“

Die Fraktion (Die Linke, Volt, Die Partei): „Wir sind für mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Aber anstatt die Menschen nur zu dem möglichen Standort zu befragen, wäre es sinnvoller, die Meinung darüber einzuholen, ob [sie] überhaupt diese Kombination aus Musikschule und riesigem Konzerthaus haben möchten. Denn diese Kombination bedeutet schließlich auch, dass die neue Städtische Musikschule weiter hinausgezögert wird.“ Gerade bei einem Projekt dieser Dimension und in einer Zeit, in der die Stadt an vielen Stellen sparen müsse, „ist es wichtig, die Meinung der Menschen zu berücksichtigen“. Der Vorstoß der CDU gehe aber nicht weit genug. „Wie die kontroverse Diskussion und viele Zuschriften zeigten, „sollten wir lieber nachfragen, ob ein solches Konzerthaus von den Einwohnenden überhaupt befürwortet wird“.

FDP-Fraktion: „Wir stimmen einem solchen Vorschlag zu – ein klares Ja.“ Dafür seien mehrere Gründe ausschlaggebend. Ein solches „Zentrum der Musik“ sei eine einschneidende kulturpolitische Festlegung für die ganze Stadt. „Es soll ein Haus für alle sein, und daher ist es nur richtig, wenn alle darüber abstimmen.“ Gleichzeitig sei die Frage der Finanzierung nicht geklärt, umso wichtiger sei es, dass alle mitreden könnten, „wenn es um das Tragen der Kosten für ein solches Gebäude geht“. Die Akzeptanz für eine solche kulturpolitische Festlegung werde durch eine Bürgerbefragung erhöht. Die von der CDU vorgeschlagene Fragestellung reiche nicht. Denn es gehe nicht nur um den Standort, sondern vor allem darum, ob die Bürgerinnen und Bürger ein solches Zentrum generell wünschten und befürworteten. Vor allem müsse die Frage nach der Finanzierung gestellt werden.

BIBS-Fraktion: „Die Musikschule benötigt schnell eine zukunftsweisende Lösung. Ob das mit einem Neubau im Viewegs Garten, einer Nachnutzung bestehender Immobilien zu erreichen ist, oder ob überhaupt eine große Konzerthalle anzustreben ist, das bewerten wir weiterhin differenziert.“ Die getroffene Entscheidung zur Machbarkeitsstudie an Viewegs Garten sollte nun aber umgesetzt werden. Auf dieser Grundlage könnten dann „weitere Diskussionen und Entscheidungswege fortgesetzt werden“. Einen Standort in der Innenstadt zu wählen würde wohl bedeuten, auf lange Sicht ein großes Objekt anmieten zu müssen, das könne „nicht die ideale Lösung für unsere Stadt sein“. Eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sei gerade bei einem solchem Großprojekt immer wichtig und absolut erforderlich. Jedoch sollte ein Zeitpunkt gewählt werden, an dem alle notwendigen Informationen vorlägen. Man könne Vorstoß und Idee der CDU für eine Bürgerbefragung nachvollziehen, hoffe nun aber auch sehr „auf eine konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Thema“.

AfD-Fraktion: „Sinnvoller wäre eine solche immer begrüßenswerte basisdemokratische Befragung zu Beginn der Debatte gewesen.“ Man habe als AfD-Fraktion nie einen Zweifel daran gelassen, dass ein „Leuchtturm“ am Bahnhof sinnlos sei, wenn gleichzeitig in der Innenstadt mit vielen großen Leerständen „die Lichter ausgehen“. Jeder Innenstadtstandort wäre demnach besser geeignet. Für solche großen Maßnahmen, die Weichenstellungen für die ganze Stadt beträfen, sollte es immer frühzeitig die Möglichkeit zur Befragung aller geben „und sollten unsere Bürger dadurch ein Mitspracherecht erhalten“.

Gruppe „Direkte Demokraten“: „Eine große Konzerthalle können wir uns zurzeit leider nicht leisten.“ Eine Bürgerbeteiligung zur geplanten Konzerthalle müsse daher auch die konkreten Fragen enthalten, „ob und in welchem Umfang die Konzerthalle gebaut wird“. Die suggestive Fragestellung der CDU sei jedoch keine faire und ergebnisoffene Bürgerbeteiligung, „sondern die Ausnutzung von scheinbarer Bürgerbeteiligung für Parteipolitik“. Selbstverständlich aber sollten Bürgerinnen und Bürger bei einem Projekt solcher Dimension ihr Votum abgeben können. Darüber müsse es breiten Konsens geben – und Respekt vor der Komplexität der Fragestellung.

Auch die CDU-Fraktion meldete sich mit einer weiteren Erklärung zu Wort, ihr war noch etwas eingefallen. Ermutig durch „die große Resonanz“ ihres Vorstoßes legte sie nach, gleich auch noch „die Frage der Finanzierbarkeit des Mammutprojekts“ mit aufnehmen zu wollen – und sich damit nicht nur, wie ursprünglich vorgetragen, auf die Standortfrage zu beschränken. Viele Reaktionen hätten deutlich gemacht, dass auch die Sorgen um den städtischen Haushalt berücksichtigt werden müssten. „Wir wollen deshalb jetzt auch die Frage aufnehmen, ob das Zentrum für Musik nur dann realisiert werden soll, wenn dessen Finanzierung durch Fördermittel, Spenden oder interne Umschichtungen gesichert ist. aber nicht durch neue Schulden.“