Braunschweig. 2024 erfolgt der Umzug der Justizvollzugsanstalt nach Wolfenbüttel – Jetzt melden sich die Historiker zu Wort. Was haben sie zu sagen?
Die Uhr am Giebel des Eingangstraktes in der Rennelbergstraße zeigt schon lange nicht mehr die aktuelle Zeit an – und die Zeit der Braunschweiger Haftanstalt ist mit dem Umzug nach Wolfenbüttel, wie berichtet, aller Voraussicht nach 2024 beendet.
Dann stellt sich die Frage, wie in dem 1884/85 errichteten und unter Denkmalschutz stehenden Komplex für künftige Generationen an die Nutzung als Kreis-und Untersuchungsgefängnis, als Justizvollzugsanstalt und Untersuchungshaftanstalt erinnert werden kann.
Aber diese regionale Justizgeschichte in Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Bundesrepublik und wiedervereinigtem Deutschland ist nur das eine an diesem Ort, das andere ist die Geschichte des ebenfalls hier angesiedelten und im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kreuzklosters samt des bis heute sichtbaren Klosterfriedhofs an der Freisestraße.
Hier war bekanntlich bei Grabungsarbeiten für den Erweiterungsbau des direkt gegenüberliegenden Georg-Eckert-Instituts ein Massengrab aus der Zeit der napoleonischen Kriege mit Gefallenen des Gefechts bei Ölper vom 1. August 1809 entdeckt worden.
In der Summe ein herausragender Geschichts- und Erinnerungsort, falls es denn einer wird.
Es bleibt die dringliche Frage, wie die Geschichte des Rennelbergs am authentischen Ort aufgearbeitet und für die Öffentlichkeit vermittelt werden kann
Zwar steht das Gefängnis-Ensemble unter Denkmalschutz. Dieser wird von künftigen Eigentümern zu berücksichtigen sein, wenn die landeseigene Liegenschaft – wie vermutet wird – nach dem Umzug zur Ausschreibung kommt. Die Stadt Braunschweig hat bereits vorgesorgt und beschlossen, für so eine Fläche in herausragender Lage einen Bebauungsplan aufzustellen.
Nutzungen wie Gastronomie, Beherbergung oder Wohnen werden nicht ganz überraschend bereits genannt. Bleibt aber die Frage, wie die Geschichte des Rennelbergs am authentischen Ort aufgearbeitet und für die Öffentlichkeit vermittelt werden kann.
„Erste Vorstöße in dieser Richtung haben aber bislang nicht die Resonanz gebracht, die angesichts dieses exponierten Geschichtsortes zu erwarten wäre. Wir müssen jetzt lauter werden“, sagt Professor Gerd Biegel vom Institut für Regionalgeschichte der TU Braunschweig unserer Zeitung.
Als sich in seinem Institut bei einem Jour fixe Forscherinnen und Forscher, Heimatpfleger, dazu Vertreter von Institutionen und Verbänden trafen, wurde die Idee entwickelt, einen „Braunschweigischen Geschichtsort Rennelberg“ aus der Taufe zu heben.
Arbeitsgruppe am Institut für Regionalgeschichte mit renommierten Wissenschaftlern treibt das Projekt voran
Eine beim Institut für Regionalgeschichte angesiedelte Arbeitsgruppe soll das Projekt vorantreiben. Ihr gehören neben Gerd Biegel mit Martina Staats die Leiterin der Gedenkstätte der JVA Wolfenbüttel, mit Privatdozentin Dr. Nadine Freund die Geschäftsführerin des Arbeitskreises Andere Geschichte und Leiterin der Gedenkstätte Schillstraße sowie die Historiker Dr. Angela Klein und Dr. Thomas Kubetzky an.
Ihr dringender Appell, den historisch bedeutsamen Ort angemessen zu bewahren und auch zu einer Informations-, Forschungs- und Vermittlungsstätte zu entwickeln, dürfte seine Wirkung nicht verfehlen.
Nach Biegels Angaben besäße dies zum Aspekt Justizgeschichte bundesweit Alleinstellung. Die Vereinnahmung der Justiz durch die Terrorherrschaft im NS-Staat ist nur ein Aspekt. 2022 war hierzu bereits eine Gedenktafel in der Rennelbergstraße errichtet worden. Die damalige niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza wurde von uns mit dem Satz zitiert: „Was hier geschehen ist, ist auch Mahnung für die Zukunft.“