Braunschweig. Sollten die Betonfiguren von Christel und Laura Lechner diverser sein und auch Minderheiten zeigen? Dazu haben viele Leser eine klare Meinung.

Seit rund zehn Tagen bevölkern die „Alltagsmenschen“ von Christel und Laura Lechner die Braunschweiger Innenstadt. Sehr viele Menschen erfreuen sich daran, einige bemängeln aber auch mangelnde Diversität der Betonfiguren. In unserem Artikel „Warum sind alle Lechner-Figuren weiß“? haben wir dies thematisiert. Außerdem gibt es dazu ein Pro&Contra unserer Redaktion: Müssen Lechner-Figuren Minderheiten repräsentieren?

Sehr viele Reaktionen sind daraufhin bei uns eingegangen, sowohl auf dem klassischen Weg per Leserbrief, also auch auf Instagram und Facebook. Wir dokumentieren hier einen Teil der Meinungsäußerungen. Die Tendenz ist eindeutig: In der überwiegenden Zahl der Beiträge äußern Leserinnen und Leser ihre Freude über die Lechner-Figuren – so, wie sie sind.

Leserbriefschreiberin: Danke für die wunderbaren Figuren im Stadtbild

Angelika Zimmermann schreibt: „Können wir eigentlich noch Freude empfinden, ohne alles zu hinterfragen, ohne Protest? Ich kann es. Danke für die wunderbaren Figuren im Stadtbild.“

Thomas Walz gibt zu bedenken: „Die gleichen Leute, die sich jetzt über weiße Männer- und Frauenfiguren aufregen, beanspruchen für sich auch das Thema kulturelle Aneignung. Farbige Figuren, Rasta-Locken und Sombreros – was hätten sich die Künstlerinnen alles anhören müssen.“

Rolf Vollrath argumentiert so: „Es wird permanent von allen Seiten Toleranz gefordert – zu Recht. Wo aber bleibt die Toleranz, wenn im Werk eines Künstlers (Ich schließe mit dem Wort Künstler ausdrücklich alle Künstler*Innen ein) People of Colour nicht vertreten sind? Ist Künstlern eine prozentuale Repräsentation der Bevölkerungsgruppen vorgeschrieben? Wo bleibt dann die LGBTQ-Community? Müsste die nicht auch repräsentiert werden, z.B. mittels einer Regenbogenflagge? Was ist mit Menschen im Rollstuhl? Wie passt Frau Lechners Gruppe der ,Einkaufsfrauen‘ in unser Rollenbild? Warum werden überwiegend ältere Menschen dargestellt? Wenn jemand nicht explizit erwähnt wird, heißt das nicht automatisch, dass er nicht respektiert oder wahrgenommen wird. Ein jeder hat das Recht auf Toleranz – auch eine Künstlerin wie Frau Lechner.“

Und Dieter Nowakowski betont: „Es ist sehr traurig, dass man sich in unserem Land anscheinend über nichts mehr freuen kann, zum Beispiel über diese drolligen, pummeligen Lechner-Figuren, die das Braunschweiger Stadtbild momentan verschönern. Ständig wird kritisiert, infrage gestellt, genörgelt und im schlimmsten Fall beschädigt oder sogar zerstört. Natürlich kann man immer irgendetwas anders machen als andere. Lernt einfach mal wieder, etwas so anzunehmen, wie es ist, und Euch einfach nur darüber zu freuen. Diese angebliche, ständige Besserwisserei nervt!“

Instagram-Userin: Alltagsdiskriminierung geschieht häufig unbewusst

Auf Instagram schreibt hingegen „alenabxz“: „Es geht nicht darum, überall nach Rassismus zu suchen. Es geht darum, dass in unseren Köpfen ,weiß‘ als ,Standardhautfarbe‘ eingeprägt ist und dieses Kunstwerk ein weiterer Beweis dafür ist. Es heißt hier im Beitrag: ,Mein Gott, wir haben überhaupt nicht über Hautfarbe nachgedacht.‘ Und genau das ist es! Man denkt nicht drüber nach und macht automatisch nur weiße Menschen hin. So wie wenn ich im Kindergarten nach einem ,hautfarbenen‘ Buntstift gefragt habe und jeder direkt wusste, welche Farbe ich meine, obwohl es eigentlich nicht nur eine Hautfarbe gibt.“ Und weiter: „Ich denke ja auch nicht, dass es rassistisch gemeint ist, sondern kann einfach die Kritik verstehen, dass, wenn man so ein Kunstwerk in der Stadt verbreitet und man den Menschen eine Freude machen soll, ein wenig Vielfalt nicht verkehrt wäre.“

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Ein User / eine Userin mit dem Namen „diehelenseiten“ ergänzt auf Instagram: „Rassismus geschieht ja nicht nur absichtlich, Alltagsdiskriminierung geschieht häufig unbewusst. Genau deshalb ist es doch super, dass darüber gesprochen und Kritik geübt wird.“

Auch „tooyoungtosellmysoul“ findet: „Wenn das Kunstwerk Alltagsmenschen heißt und keine Alltagsmenschen zeigt, ist Kritik mehr als angebracht.“ Und „em1ly.r0se“ schreibt auf Instagram: „Dass die Figuren nicht ,toll‘ seien, bestreitet vorrangig keiner. Dass das Projekt aber unter ,Alltagsmenschen‘ läuft und (mal wieder) nur die Weiße Mehrheitsgesellschaft dargestellt wird, ist nicht mehr ,toll‘, und das ist das Problem.“

Auch Userin „tu_dro“ meldet sich zu Wort: „Ich möchte gerne etwas klarstellen. Nachdem ich mir die teilweise unsäglichen Kommentare hier durchgelesen habe, fühle ich mich als Initiatorin dieser künstlerischen Intervention mehr als verantwortlich, Stellung zu beziehen. Und einiges, vieles darzustellen. Es ist ein Beweis dafür, wie eines der wichtigsten Meinungsbildungsorgane, die Zeitung/ Medien, mit einem Artikel zu solch einer Polarisation führen, dass es als Paradebeispiel zur medienkritischen Analyse genutzt werden kann. Ich hatte die Redaktion gebeten, nochmal mit mir persönlich eine Klarstellung herbeizuführen. Der Artikel war/ist gut gemeint, aber durch die sehr einseitige, subjektive Darstellung weit dahin entfernt, dem journalistischen Ethos entsprechend, eine Situation/ Vorhaben wiederzugeben. Zudem werden sehr problematische Begriffe mit kolonialen Bezügen im Artikel verwendet, die auch Redakteur*innen mit wenig Beweis und Kenntnis in diesem Diskurs, nach kurzer Recherche hätten auffallen müssen. Gleichzeitig wird durch dieses Wording etwas aufgewiegelt, was so nie von mir und meiner Kollegin gesagt wurde. Weder wurden explizit Hautfarben, noch die Ethnien thematisiert, sondern vielmehr auf alle Differenzierungskategorien Bezug genommen, die nicht abgebildet werden und so den Anschein evozieren, nicht zu den Alltagsmenschen zu gehören. Ich bin sehr streitbar und auch diskussionsfreudig, aber bar jeder Grundlage sind solche Diskurse wertlos.“

„Reicht es nicht, diese Püppchen einfach zu sehen, wie sie sind?“

Thorsten Sindermann kritisert auf Facebook: „Warum sollten sie denn unbedingt andersfarbig sein? Sie sind, wie sie sind. Integration und Repräsentation von Minderheiten ist wirklich ne tolle Sache. Minderheiten gehören dazu und sind mir herzlich willkommen, ABER man muß meiner Meinung nach jetzt auch nicht um jeden Preis alles überinterpretieren und krampfhaft Minderheiten überall hineinbringen, denn am Ende sind solche Diskussionen und das ggf. darauf folgende geänderte Verhalten des Künstlers eben genau das... krampfhaft und unnatürlich.“

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Auf Instagram meint „mietzmietz_miau“: „Über Kunst lässt sich nicht streiten! Die Figuren sind, wie sie sind, und sollten auch genau so gesehen werden. Wo kommen wir denn da hin, wenn Künstler nicht mehr frei ihre Kunst ausüben können / sollen …?! Also schließe ich mich an: Lasst die Kirche einfach im Dorf.“

Ähnlich sieht es „barbarazinnober“: „Reicht es nicht, diese Püppchen einfach zu sehen, wie sie sind? Ich werde durch diese Figuren auch nicht repräsentiert, das stört mich überhaupt nicht.“ Ebenso schreibt „tek.s.kitchen“: „Ich finde die Figuren einfach nur so schön und freue mich sehr darüber, dass sie unsere Stadt so bereichern. Ich als Migrationskind habe mich keine Sekunde nicht in diesen Figuren wiedergefunden.“ Und „bines_guineapigs“ findet: „Diese ganze Diskutiererei nervt.. Könnt ihr nicht einfach mal Dinge so hinnehmen, wie sie sind, ohne ständig Böses zu denken?“

Auf Sichtweisen wie diese entgegnet „romina.aschmutat“: „Es geht um den Denkanstoß! Niemand will hier der Künstlerin Rassismus unterstellen, nur auf Denkmuster hinweisen, die bei uns allen im Kopf angelegt sind. Weiße Haut ist für uns der ,Standard‘. Diese Denkmuster wird man nur los, wenn man sie anerkennt und aktiv durchbricht. Und gerade bei einem Kunstwerk, was die Gesellschaft abbilden soll und man es auch so bewirbt, ist es berechtigte Kritik, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eben nicht erkennbar ist, zu sagen, da fehlt was. Niemand ist perfekt, aber es geht um die Entwicklung! Die Künstlerin hat richtig reagiert und gesagt, dass sie darüber nicht nachgedacht hat und sie in Zukunft in ihrer Kunst auf sowas achten will. Besser gehts nicht. Das ist Progressiv und Verantwortungsbewusst.“

Und zum Abschluss noch ein Instagram-Statement von „kyp_one“: „Der Punkt ist, dass Alltagsmenschen in diesem Projekt eben nur zu einem Teil abgebildet sind. Danke für die Kritik, und es ist ja auch eine Bereicherung, wenn wir, wenn die Künstlerinnen, daran lernen dürfen. Ich als weiße CIS Frau erkenne mich darin übrigens nicht wieder. Aber ich freue mich über jede Omi, die sich darin wieder findet. Und nochmals Danke, diese Diskussion zu eröffnen. Kunst heißt für mich auch nicht, dass ich mich darin wieder finden muss, wenn etwas zum Nachdenken anregt, ist es schon viel.“