Braunschweig. Es beginnt ganz klein und niedlich, doch dann wird es in Flüssen und Teichen zur Gefahr. Das raten Experten von NABU und Tierheim.

Die Leserin wandte sich an die Redaktion mit einer ganz speziellen Anfrage: „Diese merkwürdige Schildkröte trafen wir heute am Neustadtmühlengraben im Inselwallpark in Braunschweig. Wie heißt wohl diese Schildkrötenart?“

Die Redaktion prüfte die Anfrage in der gewohnt kritischen und sorgfältigen Art – und hatte so ihre Zweifel. Hatte man denn eine so auffällig gefärbte Schildkröte in einem Braunschweiger Gewässer schon mal gesehen? Und dann auch noch in Schwarz, Rot und Gold, beziehungsweise Gelb? Sollten wir hier wohl hinters Licht geführt werden?

Mitnichten, denn das Foto unserer Leserin Uta-Marie Kiock ist natürlich echt. Denn es handelt sich um eine amerikanische Schmuckschildkröte, wie unsere Recherchen ergaben. Genauer gesagt: eine Rotwangen-Schmuckschildkröte. Dies bestätigte uns auch Carlo Fuchs vom Braunschweiger Naturschutzbund.

Erst sind sie noch niedlich, doch dann werden sie immer größer – und schließlich ausgesetzt

Solche Schmuckschildkröten, stellt sich heraus, werden gern zu Weihnachten oder anderen Gelegenheiten verschenkt. Dann sind sie noch klein und niedlich. Später werden sie dann viel, viel größer, fallen in Ungnade – und werden einfach ausgesetzt.

Davon kann auch Verena Geißler, Leiterin des Braunschweiger Tierheims, ein Lied singen. Auch dort landen viele Schildkröten, die keiner mehr haben will. So auch Landschildkröten, bei denen es sich um artgeschützte Tiere handelt. Heimische Sumpfschildkröten würden von ausgesetzten Schmuckschildkröten aus Übersee verdrängt. „Bitte keine Tiere verschenken, auch keine Schildkröten!“, mahnt sie eindringlich.

Auch für Carlo Fuchs vom Nabu ist das ganz wichtig. „Immer wieder werden in der Region Braunschweig Wasserschildkröten beobachtet und uns gemeldet“, sagt er.

Solche Beobachtungen stammten sowohl von den bei uns relativ langsam fließenden Flüssen als auch von Teichen. Auf den Fotos seien dann, so wie im aktuellen Fall, „leider in der Regel amerikanische Schmuckschildkröten, also nicht-heimische Arten, sogenannte Neozoen“, zu sehen.

Carlo Fuchs berichtet: Diese Tiere wurden verbotenerweise von Privatpersonen ausgesetzt, „in den meisten Fällen vermutlich, weil die als niedliches kleines Jungtier fürs Aquarium gekauften Tiere halt nicht 4 oder 5 Zentimeter klein bleiben“.

Hintergrund: Bei erwachsenen Tieren der gefragtesten Arten, also der Gelbwangen-, der Gewöhnlichen und der Rotwangen-Schmuckschildkröte, wächst der Rückenpanzer je nach Art und Geschlecht auf eine Größe von bis zu 25 oder gar 40 Zentimetern!

„Das sprengt dann früher oder später doch die Maße jedes Aquariums, und nach dem unbedachten Kauf werden die Tiere dann später genauso unbedacht in der Natur ausgesetzt“, weiß der Experte. Wobei das Aussetzen von Neozoen nicht nur verboten sei, sondern auch keine gute Tat im Sinne von „in die Freiheit entlassen“.

Die heimische Europäische Sumpfschildkröte ist mittlerweile schon fast ausgerottet

Denn diese Arten könnten in der heimischen Natur zum Problem werden. Nicht von ungefähr sei der Import (zu Handelszwecken) der auf unserem Leserfoto festgehaltenen Rotwangen-Schmuckschildkröte, die früher zu den häufigsten verkauften Schildkröten gehörte, inzwischen verboten.

Der Nabu-Mann klagt ebenso wie die Tierheim-Leiterin: „Leider wurde in der Vergangenheit die bei uns weit verbreitete Europäische Sumpfschildkröte nach und nach in fast ganz Deutschland durch menschliche Eingriffe an den Rand der Ausrottung gebracht.“ Dies habe dazu geführt, so Carlo Fuchs, dass diese heimische Schildkrötenart sogar im Anhang II der europäischen FFH-Richtlinie „als prioritär zu schützende Art“ geführt werde.

Inzwischen liefen eine ganze Reihe von Wiederansiedlungs- und Stützungsauswilderungen mit gezüchteten Tieren der Europäischen Sumpfschildkröte. Und auch das muss man wissen: Da die Tiere schon allein aufgrund ihrer geringeren Größe gegenüber den gebietsfremden Arten unterlegen sind, bedrohen illegale Auswilderungen sowohl den Bestand als auch die Wiederansiedlung unserer heimischen Art.

Die Experten: Auch die zunehmend wärmeren Winter hierzulande könnten bei den Neozoen zu erfolgreicheren Überwinterungen führen und deren Ausbreitung weiter begünstigen. Das könnte das Problem noch deutlich und möglicherweise irreversibel verschärfen.

Beobachtungen von Wasserschildkröten (idealerweise mit Foto) und auch Anfragen bezüglich der Abgabe einer Schmuckschildkröte kann man laut Carlo Fuchs dem Naturschutzbund senden unter der E-Mail-Adresse NABU.Braunschweig@t-online.de