Braunschweig. Stipendium für Moskau, Studium in Braunschweig, Arbeiten als Selbstständiger: Luc Degla berichtet über das pendelnde Glück in seinem Leben.

Als ich im Jahr 1988 in Benin ein Stipendium von der damaligen Sowjetunion erhielt, um in Moskau zu studieren, gehörte ich zu den glücklichsten Studenten auf dem Campus. Ich hoffte, in einem besseren Umfeld als in Benin zu lernen, denn die beninischen Hochschullehrer hielten sich selbst für Halbgötter und behandelten uns entsprechend.

Schwere Zeit in Moskau

Ich trat meine Reise im August an und landete in einer verregneten und grauen Stadt. Mein Glück wurde durch die Anfeindungen gegenüber Ausländern und insbesondere Schwarzen getrübt, meine Hautfarbe wurde mir bewusst und Gefühle, die ich nicht gekannt hatte, belasteten meine Psyche. Ich hatte wenig Probleme mit der Kälte, daran habe ich mich schnell gewöhnt, aber die Einsamkeit und das Heimweh waren neben der oben erwähnten Ausländerfeindlichkeit schwer zu ertragen. Mein Glücksgefühl hielt an, weil ich die Aussicht auf eine gute Arbeitsstelle nach meiner Rückkehr in die Heimat hatte.

Eines Tages verschwand das Land, in dem ich studierte. Die Gesellschaft, in der ich lebte, war orientierungslos und hatte keine konkrete Führung. An den Universitäten herrschte Unsicherheit. Wir wussten nicht, wie es mit dem Studium weitergeht. Ich fragte mich, ob das Stipendium tatsächlich ein Glück gewesen war, und ich suchte verzweifelt einen Weg, um in Sicherheit mein Studium fortsetzen zu können.

Durchhalten an der TU Braunschweig

Dann öffneten sich die Tore nach Deutschland, ich zog zu meiner Freundin nach Braunschweig. Hier lernte ich Deutsch und bewarb mich anschließend, um einen Studienplatz. Das Studienvisum war nicht selbstverständlich, aber ich bekam es und durfte in Braunschweig studieren. Wieder ein Glück!

Da ich aber hierzulande kein Stipendiat war, wurde das Studium doppelt so schwer wie in Moskau. Dort hatte ich keine Geldsorgen, in Braunschweig schon. Die alten Zweifel kamen wieder hoch. Hätte ich nicht lieber auf das ursprüngliche Glück verzichten sollen? Egal, wie ich das Glas gesehen hatte, halbvoll oder halbleer, es gab kein Zurück mehr. Ich musste alles tun, um nach vorne zu schauen. Scheitern kam nicht in Frage, weil das deutsche Hochschulsystem keinen Zwischenabschluss hatte. Das bedeutete, dass ein Scheitern mich trotz aller Jahre, die ich studiert hatte, auf das Niveau des Abiturs zurückwerfen würde. Außerdem hätte ich die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von drei Monaten verlassen müssen, wenn ich meine Zulassung an der Universität verloren hätte. Also durchhalten.

Selbstständig in Deutschland

Nun hatte ich endlich das Zeugnis in der Hand. Und Deutschland hatte ein neues Gesetz verabschiedet. Seit 2005 dürfen ausländische Studenten und Studentinnen, die ihren Abschluss in Deutschland gemacht haben, in Deutschland bleiben, wenn sie eine Stelle gefunden haben. „Noch ein Glück“, dachte ich und stürzte mich auf die Suche nach einer Arbeit. Aber nachdem ich erfahren hatte, dass ein Arbeitgeber mich nur dann einstellen konnte, nachdem er weder einen deutschen noch einen EU-Bürger oder einen Bürger aus einem Anwerbestaat gefunden hatte, war ich nicht mehr motiviert. Ich entschied mich für die Selbstständigkeit.

Ich war glücklich, als ich meinen Gewerbeschein bekam. Diesem Glück folgten gleich die Zweifel, ob dieser Weg der richtige ist. Denn mein Briefkasten war voller Schreiben von verschiedenen Behörden. Bei manchen Institutionen konnte ich nicht nachvollziehen, warum sie Geld von mir haben wollten. Bezahlen musste ich auf alle Fälle. Ich befand mich in einem Rad, das ich nicht mehr aufhalten konnte. Die Selbstständigkeit in Deutschland kann schnell eine Selbstausbeutung werden. Die Bringschuld liegt bei mir: Vor dem Personal, vor den Kunden und vor den Behörden sowieso. Nach zehn Jahren fing ich an aufzuatmen. Ich habe mittlerweile die Regeln gelernt und versuchte mich vorsichtig fortzubewegen. Dann kam die Pandemie. Dank der Hilfe des Staates und vieler Freunde habe ich das Glück gehabt, durchzukommen und hoffe auf bessere Tage.

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Ich weiß nicht, ob jemand dauerhaft Glück haben kann, in meinem Fall sehe ich das Glück wie ein Pendel, das immer wieder an mir vorbei schwingt und ab und zu gelingt es mir, es für einen kurzen Moment festzuhalten.

Luc Degla hat im Benin Mathematik und in Moskau und Braunschweig Maschinenbau studiert. Der freie Autor lebt in Braunschweig. In seiner Kolumne beschreibt er sein Leben mit den Deutschen.