Braunschweig. Evelyn zeigt als Pinky Peacock sinnliche Burlesque-Tänze in Braunschweig und gibt auch Workshops für Frauen.

„Ich flirte nicht, ich tease!“ ruft sie von der Bühne herunter, als der Fotograf sie bittet mit der Kamera zu flirten. Klare Ansage von Evelyn (34), die in ihrer Rolle als „Pinky Peacock“ auf der Bühne des Kult-Theaters eine Burlesque-Nummer zeigt. „Teasen“ bedeutet zu verführen, mit Spaß und Leichtigkeit, erklärt sie.

Burlesque meint hierbei eine humorvolle Tanzdarbietung mit erotischen Anreizen, die sich jedoch von Striptease-Nummern abgrenzt. Evelyn ist nicht ihr richtiger Name, den möchte sie in der Zeitung nicht lesen. Zu gefährlich sei es, seine Identität oder gar eine Wohnadresse auf einer Webseite preiszugeben. Das Risiko Opfer von Stalking-Übergriffen zu werden sei zu hoch, erklärt sie.

Die 34-Jährige liebt das Leben im Theater und auf der Bühne. Geboren in Salzgitter, aufgewachsen bei Wolfenbüttel und ab dem zehnten Lebensjahr bei Braunschweig lebend, macht sie nach dem Abitur ein einjähriges Praktikum im hiesigen Staatstheater.

„Ich wollte mich inspirieren lassen, wo die Reise hingehen soll“, sagt sie. Liebäugelt sie zunächst noch mit einem Modedesign-Studium, inspiriert von der Punk-Ikone Vivienne Westwood, entdeckt sie im Rahmen der Movimentos-Festwochen am Staatstheater ihre Faszination für Kostüme. „Ich war für das Tanztheater in der Kostümdesign-Klasse eingeteilt. Das hat mich total fasziniert.“

Nach dem Praktikum steht ihr Entschluss fest: An der Hochschule Hannover beginnt sie an der Fakultät Design und Medien das Studium „Szenografie Kostüm“ bei Professorin Maren Christensen. Vier Jahre lernt sie im Bachelor, was es heißt Schnitte zu erstellen und Kleidungsstücke zu nähen. Aber auch Designgeschichte und Dramaturgie gehören zu ihren Fächern.

Pinky Peacock bietet im Kult Workshops an.
Pinky Peacock bietet im Kult Workshops an. © Peter Sierigk

„Im Theater fand ich es spannend, dass man mit verschiedenen Körpern Charakter und Figuren herausarbeiten kann. Und dass es nicht wie bei der Mode um Abwertung ging“, sagt sie – und spielt damit auf die Magermodels der 1990-er Jahre an. Im Kostümdesign hingegen diene der Körper als Ausgangsbasis und Inspiration für den kreativen Schaffensprozess.

Renate Schmitzer Vorbild

Im Anschluss an ihr Studium erhält sie eine Festanstellung als Ausstattungs-Assistentin für Bühne und Kostüm am Staatstheater Braunschweig. Unter der Leitung von Kostümbildnerin Renate Schmitzer arbeitet sie an zahlreichen Produktionen mit. Eine Frau, für die sie noch heute schwärmt. „Sie kam mit ihrem roten Ferrari vor das Theater gefahren, trug oft Schlangenleder-Pumps und versprühte einen Sinn für Humor und Leichtigkeit.“

Im Café Haertel verbrachte Schmitzer am liebsten ihre Pausen und lud dann auch ihre Assistentin auf einen Champagner ein. „Weiblichkeit leben und gleichzeitig in der Männerdomäne existieren können“, das imponiert ihr bei Schmitzer.

Immer mehr fällt Evelyn die männliche Dominanz in den Führungsebenen in der Oper und im Theater negativ auf. „Frauen in Führungspositionen waren am Theater die Seltenheit. Auch die Maske und das Kostümbild waren mit Männern besetzt. Ich habe mich irgendwann gefragt: Wo sind meine Heldinnen?“ Mehr und mehr stört sie, dass Opern meist von Männern geschrieben, inszeniert und musiziert werden.

„Frauen und ihre Lebenslagen werden oft plakativ dargestellt.“ Besonders eine Inszenierung hätte ihr dies vor Augen geführt. „Die Rusalka – da ist so viel Schmerz in dieser Frau. Dabei ist sie so viel mehr als nur traurig und schön. Aber in der Opern-Inszenierung interessiert das nicht. Sie soll nur gutaussehen und singen.“

Auch in anderen Opernhäusern wie in Hannover, wo sie mehrere Jahre als Kostüm- und Bühnenbildassistentin arbeitet, wird ihr bewusst, wie stereotyp Frauen in ihren Rollen dargestellt sind. „Weibliche Figuren gehen vielfach mit nichts aus den Stücken. Ohne Liebe, Mann und Familie – und am Ende steht oft der Freitod.“

Kontakte in die Burlesque-Szene

Pinky Peacock zeigt hier den Feder-Tanz.
Pinky Peacock zeigt hier den Feder-Tanz. © Peter Sierigk

Wer bin ich, und wer ist meine Rolle im Theater? Das sind Fragen, die sich Evelyn zunehmend stellt. Antworten findet sie für sich in der Welt des Burlesque-Tanzes. Schon während des Studiums lernt sie bei einem Zeichenkurs die Künstlerin Zoë MacTaggart aus Hannover kennen und kommt mit der Szene in Kontakt.

Die Federn, das Glitzern, Samt und Seide haben mich sofort fasziniert.“ Fortan beschäftigt sie sich mit den Techniken des Burlesque-Tanzes, liest historische Bücher und lernt neue Freundinnen mit ähnlichen Interessen kennen.

In Braunschweig findet sie 2014 mit der „Manege 5“ ihre eigene Crew und arbeitet für die Gruppe als Bühnenassistentin. „In der Zeit habe ich meine eigene Bühnenpräsenz entwickelt. Bei der allerletzten Show hatte ich die Möglichkeit, mit „Lady death“ meine erste Nummer zu zeigen.“

Auch beginnt sie Tanz- und Gesangsunterricht zu nehmen und ihren eigenen Körperausdruck in verschiedenen Workshops für die Bühne zu schulen. Besonders die kreisenden, schüttelnden und stoßenden Bewegungen von Hüften, Armen und Oberkörper machen ihr Spaß. Für ihre eigene Rolle weiß sie schnell, wo es hingehen soll: „Nicht das perfekte Showgirl zu sein, sondern eher wie eine Dame, die posiert, lockerlässt und ihren Körper feiert.“

Die Welt des Burlesque bietet ihr schließlich auch das, nachdem sie sich gesehnt hat: feministisch-emanzipierte Künstlerinnen, die ohne männliche Regie in Kollektiven ihre Darbietungen erarbeiten. „Am Theater fehlten mir die Regisseurinnen und im Burlesque waren da Frauen, die eigenständig ihre Figuren und die Themen entwickelt haben.“

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Die Karriere nimmt Fahrt auf

Ihre Bühnenfigur der Pinky Peacock – des pinken Pfaus – kommt gut an. Sie tritt künftig mehrmals im Jahr auf Kleinkunstbühnen der Republik auf. Mit dem Fächertanz und der dazugehörigen Rolle der „Feather queen“ nimmt sie eine weitere Figur mit ihn ihr Repertoire auf, die durch ein opulentes Federkostüm (siehe Foto) beeindruckt.

Größere Shows wie „La Rebelion“ von Phil Porter im Parkhotel in Bremen kommen hinzu. Und auch in Braunschweig ist sie im „The Grand Horten“ im ehemaligen Galeria-Kaufhof-Gebäude als Teil der Show gebucht. „Wir waren wie in einer Zirkusfamilie. Ich habe mich gefühlt wie im Himmel“, berichtet Evelyn, die sich mittlerweile als Kostüm-, Bühnenbildnerin und Burlesque-Tänzerin selbstständig gemacht hat.

Ihr großes Ziel ist es, immer mehr Workshops zu geben. „Ich möchte Burlesque erfahrbar machen und die Stärkung von Intuition, Achtsamkeit und Körpergefühl vermitteln.“

Frei von Perfektion soll es um den Genuss der Sinnlichkeit des eigenen Körpers gehen. Evelyn ist sich sicher: „Burlesque kann ein Zugang sein, sich mit sich selbst angenehm zu befassen. Aber es geht hier nicht darum zu lernen, wie man sexy für Männer tanzt“, macht Evelyn klar.

Workshops am 17. und 18.2.2023 für Burlesque-Beginner im Kult-Theater. Anmeldungen über: pinkypeacockburlesque@gmail.com