Braunschweig. Warum es immer ein Wagnis sein wird, einen Achttausender auf eigene Faust zu besteigen, macht Bergsteiger Olaf Rieck in Braunschweig deutlich.

Der Bergprofi aus Leipzig ist am Freitag, 25. November, um 19 Uhr zu Gast in der Brunsviga, auf Einladung der Sektion Braunschweig im Deutschen Alpenverein. Im Mittelpunkt seines öffentlichen Vortrags steht die Besteigung des 8080 Meter hohen Hidden Peak im Karakorum, die ihm 2019 im dritten Anlauf gelungen ist. Am Beispiel der Probleme und Herausforderungen einer solchen Expedition will der 58-Jährige klar machen, was das Besondere an der Besteigung von Achttausendern ist.

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Im aktuellen „Draußen“-Podcast unserer Zeitung nimmt Rieck kein Blatt vor den Mund. „Es geht um das Wie einer Besteigung. Viele Leute werden sich sagen, da kommt jetzt einer, der hat einen Achttausender bestiegen. Hey, da gibt es einen, der hat in sieben Monaten alle Achttausender bestiegen. Was ist also noch so besonders daran? Das macht doch heute Krethi und Plethi“, erzählt der 58-Jährige im Interview. „Aber so ist es eben nicht. Es gibt einen riesengroßen Unterschied beim Wie. Das ist das alles Entscheidende. Wenn andere Leute alles für einen erledigen an solch einem Berg, was anstrengend und gefährlich ist, und man setzt nur eine Maske auf und geht dann an den installierten Fixseilen hoch zum Gipfel, das ist kein Bergsport. Das ist Tourismus. Es ist Zeit, diesen Unterschied deutlich zu machen“, wird Rieck im Gespräch leidenschaftlich.

Der Hidden Peak liegt im äußersten Nordosten Pakistans.
Der Hidden Peak liegt im äußersten Nordosten Pakistans. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Eine Karriere als Berufs-Alpinist lag für den in der DDR aufgewachsenen Tiermediziner keineswegs auf der Hand, auch davon handelt der Podcast. „Schon vor der Wende hatte ich eine starke Affinität zu den Bergen entwickelt. Meine erste Reise war im Sommer 1989 in das Pamir-Alai-Gebirge. Da habe ich das erste Mal größere Berge gesehen. Das war so ähnlich, als ob man eine schöne Frau sieht. Ich habe mich einfach verliebt in die Berge“, berichtet Rieck im Podcast. „Ich habe viel gelesen und wollte in den Himalaya fahren, wusste aber, dass ich dort nie hinkommen würde. Dann passierte das Wunder des Mauerfalls.“

Plötzlich sei es möglich gewesen, zu reisen. „Aber die Schwierigkeit war: Wir hatten kein Geld, um in den Himalaya zu fahren. Wir mussten sehen, wie wir den Kopf über Wasser halten.“ 1990 hat Rieck sein Staatsexamen als Veterinär an der Uni in Leipzig gemacht. „Ich konnte aber kein Tierarzt sein“, blickt er zurück. „Die Tierproduktion war eine ganz aufgeblähte Sache in der DDR. Es wurden Devisen verdient mit Schweinefleisch und Rindfleisch. Es waren viele Tierärzte plötzlich arbeitslos. Ich als Absolvent bin an die Uni gegangen und habe etwas gemacht, was ich gar nicht machen wollte. Ich fühlte mich als Tierarzt und wollte Tiere gesund machen und war plötzlich in der Anatomie gelandet, habe Tiere tot gemacht und auseinandergerissen und den Studenten erzählt, was man da alles sehen kann. Ich war damit unzufrieden vom ersten Tag an. Aber wir mussten ja etwas machen, um Geld zu verdienen.“

1998 schließlich wird der Leidensdruck für Rieck so groß, dass er - bestärkt durch zuvor gemachte Reisen nach Spitzbergen, in die Arktis und nach Alaska - den Absprung wagt in ein neues, letztlich selbstständiges Leben. „Ich entschied mich für eine Auszeit, um ein paar Sachen zu machen, die ich unbedingt machen wollte – zum Beispiel meine erste selbst geführte Achttausender-Expedition zum Cho Oyu“, erinnert sich der 58-Jährige im Gespräch. „Als das funktioniert hatte, dachte ich, das ist so schön, das würde ich gerne noch etwas verlängern und ich habe versucht, mit Vorträgen ein bisschen Geld zu verdienen. Und dieser Versuch dauert immer noch an.“

Sein Hobby zum Beruf zu machen, das klingt toll, ist aber eine harte Angelegenheit, wenn es auf Dauer funktionieren soll. Rieck, der sich eine Existenz aufgebaut hat als Bergführer, Vortragsredner, Fotograf und Coach, kann ein Lied davon singen. „Man muss sehen, wie man an Geld kommt und wie man es so strukturiert, dass man auch im nächsten Monat noch seine Miete bezahlen kann“, erzählt der Leipziger. „Das ist mitunter schwierig gewesen, vor allem in den Anfangszeiten. Das war ein harter Kampf und es war viel Arbeit und man ist teilweise hohe Risiken eingegangen. Man musste erfolgreich sein.“

Seinen ersten Versuch am Hidden Peak - „einem der schönsten Achttausender“ - unternimmt Rieck 2001. „Wir wollten eine Doppelexpedition machen. Gasherbrum 2, das hat geklappt. Dann wollten wir hinterher den Hidden Peak besteigen, das hat nicht geklappt. Da hat das Wetter nicht mitgespielt.“

Einen zweiten Versuch gab es 2012, doch das Wetter vereitelt erneut eine Besteigung. „Durch eine enorme Lawinengefahr sind alle Expeditionen relativ schnell vom Berg verschwunden. Mein Partner Christoph Descher und ich waren mutterseelenallein und haben ganz schön viel geleistet. Es war sicherlich eine der Expeditionen, wo ich sehr, sehr angestrengt war. Bis auf 7100 Meter haben wir Fixseile verlegt, die Spur-Arbeit und die Tragerei, alles ganz alleine gemacht. Es gab keine Helfer oder Sauerstoff oder irgendwas. Es gab nur uns zwei und den Berg“, berichtet Rieck im „Draußen“-Podcast. Nach einer zehntägigen Schlechtwetterperiode seien alle Messen gesungen gewesen. „Die Möglichkeiten für uns zwei, noch auf den Gipfel zu kommen, die gingen gegen Null.“

Stefan Weinert auf dem Berliner Höhenweg. Er ist der Vortragsreferent des Deutschen Alpenvereins, Sektion Braunschweig.
Stefan Weinert auf dem Berliner Höhenweg. Er ist der Vortragsreferent des Deutschen Alpenvereins, Sektion Braunschweig. © Privat | Privat

2019 folgte der dritte Anlauf. „Auch da zeigte sich der Hidden Peak sehr unversöhnlich. Also offensichtlich kann er mich nicht leiden“, meint Rieck. „Ich personifiziere Berge schon so ein bisschen. Wir sind keine Freunde geworden, wir zwei. Wir waren aber oben dieses Mal. Warum es geklappt hat und warum es beinahe wieder nicht geklappt hätte und welche Probleme es im Vorfeld gab, das wird Thema im Vortrag sein.“

Riecks Gastspiel in Braunschweig ist Stefan Weinert zu verdanken, dem Vortragsreferenten der Sektion Braunschweig im Deutschen Alpenverein. Als weiterer Gesprächsgast legt er im Podcast einleitend dar, wie das Vortragsprogramm des Vereins entsteht. „Letztlich kommt es darauf an, was die Mitglieder sehen wollen. Wir machen Umfragen und holen das Feedback ein. Hochalpine Vorträge sind bei uns einfach sehr beliebt“, berichtet Weinert.

Bei öffentlichen Veranstaltungen wie der am 25. November in der Brunsviga könne sich der Alpenverein präsentieren. „Wir kommen in Kontakt mit Leuten, können ihnen unsere Gruppen vorstellen und unsere Ausbildung“, erläutert Weinert. Zur aktuellen Situation sagt er: „Corona hat dem Alpenverein Mitgliederzuwachs beschert. Und er ist weiblicher geworden.“