Braunschweig. Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist zutiefst umstritten. Die Fans sind hin- und hergerissen. Schauen wir uns das an? Oder doch nicht?

Nein, mit fliegenden Fahnen und großer Begeisterung tun sie’s nicht. Eher hinhaltend. Wirt Josip Peric von der Roots Sportsbar in der Braunschweiger Innenstadt postete mal vorsichtig, dass sie die WM-Spiele von Katar zeigen würden. Einen Sturm der Entrüstung gab’s daraufhin nicht.

Und Marco Schönian vom Löwengarten im Freie-Turner-Stadion im Östlichen sagte unserer Redaktion: „Ich habe überhaupt noch keine Werbung gemacht. Aber, na klar, die WM-Spiele, die müssen wir schon zeigen.“

Die Wendener Wirtsfamilie Kurth bei der Fußball-EM im Sommer 2021 mit Mutter Esther (von links) Sohn Jo, Tochter Ann-Kathrin und Vater Carsten.
Die Wendener Wirtsfamilie Kurth bei der Fußball-EM im Sommer 2021 mit Mutter Esther (von links) Sohn Jo, Tochter Ann-Kathrin und Vater Carsten. © regios24 | Stefan Lohmann

Auch Carsten Kurth von der Sportgaststätte des FC Wenden im hohen Norden der Stadt klingt nicht gerade begeistert, aber irgendwie auch entschlossen, wenn er erklärt: „Wir zeigen die wichtigsten Spiele – und natürlich auch die deutschen Spiele.“

Wirt Carsten: „Ich halte es mit Kloppo. Wo wart Ihr denn vor 12 Jahren, als die WM vergeben wurde?“

Dort in Wenden, wie auch in etlichen anderen Sportsbars und Kneipen in der Stadt, kann man traditionell Fußball schauen, von der 2. Liga an aufwärts. Und, na klar, erst recht bei internationalen Turnieren. Und die WM in Katar, die dubiosen Umstände, die Menschenrechtssituation?

„Ich halte es da mit Kloppo“, sagt Carsten Kurth. Gemeint ist der deutsche Trainer des FC Liverpool, Jürgen Klopp. Und der hatte in der ihm eigenen Art klargestellt, er werde sich die Spiele in Katar aus der sportlichen Perspektive heraus selbstverständlich anschauen. Alle, wirklich alle, auch die Journalisten, müssten sich fragen lassen, so Kloppo, wo sie denn wohl vor zwölf Jahren waren, als das WM-Turnier nach Katar vergeben wurde. Da hätte man handeln, da hätte man protestieren müssen.

Aber jetzt ist eben Fußball-Weltmeisterschaft.

Klare Sache für Carsten Kurth im Sportheim des FC Wenden, und er weiß, dass viele Fußballfreunde in Wenden das auch so sehen. Übrigens ja auch die öffentlich-rechtlichen Sender, die übertragen. Das ist ein Signal und macht es übrigens auch nicht besser, denn dann schauen die Leute in so einer Situation wohl eher zuhause WM-Fußball. Und nicht unter Leuten.

Egal. „Wir sind hier Fußballer durch und durch. Und wir wollen die besten Mannschaften sehen“, sagt Kurth. Und trotzdem rechnet man in Wenden eben nicht mit dem ganz großen Besuch. Zum einen ist die Zeit kurz vor Weihnachten ja nun wirklich ganz ungewöhnlich, übrigens auch die Anstoßzeiten.

Und zum anderen spürt es auch der Wirt ja selbst: „Nein, ich habe absolut noch keine Vorfreude.“

„Einfach kein Feeling“, drückt Kollege Josip Peric das aus. Ihm geht’s auch so. Und das soll schon was heißen. „Ich hab’ schon so viele EM und WM gemacht, aber so flau wie jetzt war’s noch nie.“ Tischreservierungen – Fehlanzeige. Fiebrige Vorfreude, dito.

Wirt Marco Schönian im Löwengarten im Freie-Turner-Stadion im Östlichen Ringgebiet.
Wirt Marco Schönian im Löwengarten im Freie-Turner-Stadion im Östlichen Ringgebiet. © Henning Noske

Ganz ähnlich ergeht es auch Marco Schönian im Löwengarten. Das ist ja gerade die Ambivalenz, die Fußballfreunde sind vollkommen hin- und hergerissen. Und so wird es auch und ganz besonders vom Abschneiden der deutschen Mannschaft abhängen, ob die Gaststätten und Sportsbars bei dieser WM überhaupt auf ihre Kosten kommen.

Wirt Marco: „Diese kranke Nummer in Katar, das ist keinem so richtig geheuer“

Sicher ist das nicht. „Diese kranke Nummer in Katar, das ist doch keinem so richtig geheuer. Wenn man bedenkt, was da alles mit dem großen Geld gekauft ist“, sagt Marco Schönian. Er hat immerhin zur WM die Winteralm draußen zum Fußballschauen geöffnet, aber man muss halt gucken, wie das Wetter wird. Tja, im Sommer wär’s besser. Aber da sengt es in Katar durch die Hitze alles weg. Und so haben wir eben mal eine WM kurz vor Weihnachten.

Und die Termine mit der deutschen Mannschaft reißen zunächst mal auch keinen Wirt so richtig vom Hocker. Deutschland - Japan am Mittwochnachmittag, 23. November, 14 Uhr. Na ja. Deutschland - Spanien am Sonntagabend, 27. November, um 20 Uhr. Hmmm. Nicht gerade prickelnd wird’s auch bei Deutschland - Costa Rica am Donnerstag, 1. Dezember, um 20 Uhr.

Das Finale gefällig? Nun, dann geht’s am 4. Advent, 18. Dezember, um 16 Uhr zum Fußballschauen in die Kneipe. Na, toll. Falls Deutschland spielt ...

Entscheidet jeder selbst. Fest steht, dass auch die Gastronomen rechnen müssen – und da nehmen sie das WM-Geschäft, falls es denn eins wird, auch mit. Brutal haben sich alle Kosten in Zeiten des Krieges entwickelt, Kalkulationen werden immer schwieriger. „Wir können das einfach nicht außer acht lassen“, sagt Löwenwirt Schönian.

Wirt Josip sagt: „Dann wird nicht die FIFA bestraft, was gerecht wäre, sondern ich. Und das ist nicht gerecht“

Es gibt sogar Opposition, und das gab’s tatsächlich noch nie. Ein paar Stammgäste, nicht die Mehrheit, aber schon auch ein paar, haben zu Wirt Josip bereits gesagt, dass sie nicht kommen werden. Diesmal nicht, nicht zu dieser WM. Wegen Katar. „Tja, und dann wird nicht die FIFA bestraft, was gerecht wäre, sondern ich. Und das ist nicht gerecht. Ich bin auch nicht in der Lage, auf alles zu verzichten.“ Erst kam Corona, dann das, dann das. Und jetzt auch noch das.

Aber Josip, um keine Idee verlegen, hätte da mal einen Vorschlag. Wie wär’s denn, denkt er sich, wenn wir gemeinsam die WM einfach mal ausfallen lassen könnten? Na ja, vielleicht auch nur bei einem einzigen Spiel. Also, er meint, das müsse gehen, ohne dabei den Wirt zu bestrafen. Die Hütte ist voll, das wäre seine Bedingung – und dann schaut man gemeinsam und demonstrativ halt was ganz anderes, das kann ja auch Laune machen.

Unsere Redaktion, das ist ganz naheliegend, kann für die eine Kneipe natürlich keine Werbung machen. Aber Charme hat die Idee, ehrlich gesagt, schon. Falls sich das flächendeckend durchsetzen würde und etliche Gastronomen dabei mitmachten, wäre es mit Sicherheit berichtenswert ...

Schau’n wir mal. Was wäre, nur mal so aus Gastronomensicht gefragt, eigentlich das übelste Szenario? „Deutschland scheidet früh aus“, sagen unsere drei Gesprächspartner unisono. So wie in Russland 2018. Dann kannst du einpacken.

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