Braunschweig. Nach den Vorfällen beim Fußball-Nachbarschaftsduell Eintracht-VfL haken wir nach. Wie kommen bloß immer die Pyros und Raketen ins Fußballstadion?

Überraschen kann dieses Phänomen Fußballvereine und Sicherheitsdienste eigentlich schon längst nicht mehr. Fußballfans sind in der Lage, bis zu 2500 Grad heiße Pyrotechnik, Feuerwerk, Rauchtöpfe und Raketen in jedes Stadion und in jeden Block in nahezu jeder beliebigen Menge zu schmuggeln. Die Gesundheit der Stadionbesucher steht auf dem Spiel, es drohen empfindliche Strafen für die Vereine, die Polizei leistet Schwerstarbeit mit Großaufgeboten – und dennoch gelingt es seit Jahren nicht, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Auch ein an sich friedliches Pokalspiel zwischen Eintracht Braunschweig und dem Nachbarn VfL Wolfsburg wurde jetzt wieder überschattet von lodernden Pyrofackeln im Wolfsburger Gästeblock. Ein Leser spricht von „rechtsfreien Räumen“. In ihrem Pressebericht schreibt die Braunschweiger Polizei an diesem Abend von einem „einsatzreichen Verlauf der polizeilichen Fußballbegleitung“. Während die Anreise der Fans noch ruhig verlief, sei es dann sofort nach Spielbeginn „zu massivem Abbrand von Pyrotechnik hauptsächlich in den Gästeblocks“ gekommen.

Es ist keine Frage des jeweiligen Vereins, viele sind betroffen.

Auch im Hannoveraner Stadion brannten Rekordmengen an Pyrotechnik und Feuerwerk, als dort kürzlich Eintracht Braunschweig gastierte. Verzweifelte Appelle mancher Clubbosse helfen wenig, zuletzt des Frankfurter Präsidenten Peter Fischer. Unter bestimmten Fußballfans gilt es als eine Art Volkssport, verbotene Gegenstände ins Stadion zu schmuggeln und dann zu zündeln.

Polizei: Einlasskontrollen ins Stadion obliegen auch in Braunschweig dem Veranstalter und werden durch den Sicherheitsdienst durchgeführt

Verantwortlich für die Kontrollen sind die Vereine und die von ihnen beauftragten Sicherheitsdienste, wie die Polizei Braunschweig auch im aktuellen Fall betonte. Sprecherin Carolin Scherf teilt auf Anfrage unserer Zeitung mit: „Der Abbrand von pyrotechnischen Gegenständen ist in der Fußball-Fanszene ein weit verbreitetes Phänomen. Insbesondere während der Abendspiele und bei Spielbegegnungen von besonderer, mitunter traditionsbehafteter Bedeutung wird bundesweit in Stadien durch einzelne Fangruppierungen Pyrotechnik gezündet. Die Einlasskontrollen ins Stadion obliegen auch in Braunschweig dem Veranstalter und werden durch den Sicherheitsdienst durchgeführt.“

Offenbar liegt dort das Problem. Aussteiger aus Fanszenen oder auch nur Wichtigtuer, genau weiß man es nicht, berichten schon seit Jahren, wie sie die privaten Sicherheitskräfte im Stadion übertölpeln können. Dabei kann man ausblenden, dass „Heimfans“ über besondere Beziehungen verfügen können, gute Verstecke oder geheime Wege kennen, um an ihr Ziel zu kommen. Das ist bekannt. Wie aber schaffen es immer wieder „Gästefans“ mit gefährlichen Stoffen ins gegnerische Stadion?

Auch diese Tricks sind bekannt und oft beschrieben worden. Fahnen, Banner, Plakate und Choreographien, die ja mitgebracht werden dürfen, bieten geeignete und geheime Verstecke, übrigens auch, um sich trotz Beobachtung durch Polizeikameras darunter umzuziehen oder zu vermummen. Hinterher spaziert man lammfromm aus dem Stadion. War was?

Mehr noch: Vielleicht hat mancher schon erlebt, wie einfach man Gegenstände, etwa einen Flachmann, reinbekommen kann. Dabei reden wir nicht davon, dass Ordnerinnen oder Ordner auch Hemmungen haben, beim Abtasten beherzt und nachhaltig in die Herren- oder Damenunterbekleidung zu greifen. Das ist so. Körperscanner wie am Flughafen wolle man ja nicht einsetzen, heißt es bei Vereinen.

Bekannt ist auch, dass Pyrotechnik oder Feuerwerk bis dicht an die jeweilige Pulverkammer gekürzt werden, um die explosive Fracht dann im präparierten Schuh oder kunstvollen Verstecken unterzubringen. Beliebt und effektiv ist zudem die „Drängelmethode“: Die ganze Truppe spricht sich vorher ab und schiebt mit zig Mann von hinten durch. Schubweise gelangt man durch die Sicherheitskontrolle – und Ruhe ist. Bis zum Anpfiff ...

Deutlich wird, welche hohen Anforderungen an die Kräfte des jeweiligen Sicherheitsdienstes gestellt werden müssen. Wir stellten dazu jetzt einige Fragen an Eintracht Braunschweig. Die Ordnungskräfte würden nach dem vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) vorgeschriebenen „Modularen Schulungskonzept für Veranstaltungsordner im Profifußball“ von zertifizierten Lehrkräften unterrichtet und müssten eine Prüfung unter DFB-Aufsicht bestehen, teilt Sprecherin Denise Schäfer mit.

Eintracht: Beim als Risikospiel eingestuften Regionsduell hatte der DFB-Sicherheitsbeobachter keine Beanstandungen

Im Rahmen von Stadionallianzen und der vor jedem Spiel obligatorischen Sicherheitsbesprechungen gebe es in Braunschweig einen sehr gut funktionierenden Austausch von Verein, Polizei, Sicherheitsdienst und Feuerwehr.

Leider gelinge es trotz strengster Kontrollen bundesweit aber oft nicht, zu verhindern, dass verschiedene Formen von Pyrotechnik in die Stadien eingebracht werden könnten. Anscheinend werde diese oftmals versteckt im Intimbereich ins Stadion geschmuggelt. Und da endeten allerdings die Kompetenzen eines Ordnungsdienstes, so Eintracht.

Bei der als Risikospiel eingeschätzten Begegnung gegen den VfL Wolfsburg sei dem eigenen Ordnungsdienst übrigens vom eingesetzten Sicherheitsbeobachter des DFB „die vollumfängliche Umsetzung aller Verkehrssicherungspflichten einschließlich der Eingangskontrollen attestiert“ worden.

So geht es immer aus. Das Ergebnis ist unbefriedigend.

Als es immer brenzliger wurde, lief Wolfsburgs Fußball-Geschäftsführer Jörg Schmadtke am Dienstagabend zu den eigenen Fans, um ihnen klarzumachen, dass der Schiedsrichter die Mannschaften in die Kabine schicken würde. Da hörten sie freiwillig auf, Raketen aufs Spielfeld zu schießen. Immerhin.

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