Braunschweig. TikTok ist aktuell die beliebteste Social-Media-Plattform. Aber warum eigentlich? Eine Social-Media-Expertin von der TU-Braunschweig erklärt es.

Die sogenannte Generation Z, also die Jahrgänge 1997 bis 2012, tanzt mehr und mehr auf TikTok, teilt Snaps und Memes miteinander und postet Storys über ihr Privatleben. Aber was fasziniert so an Social-Media-Plattformen? Diese Frage beantwortet Monika Taddicken im Interview. Sie ist Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Onlinekommunikation sowie Nutzungs- und Wirkungsforschung.

Frau Taddicken, warum sind Soziale Plattformen so beliebt?

Am Anfang, als das alles neu war, ging es erstmal ganz viel darum sich auszuprobieren und sich selbst ausleben zu können. Wir nennen das „Identitätsmanagement“: Wie kann ich mich darstellen? Wie kann ich mich managen?Dann geht es natürlich auch darum seinen Freundeskreis, also sein Soziales Netzwerk, zu pflegen. Auf eine sehr leichte Art und Weise. Man kann einfach und pragmatisch viele Leute erreichen.Außerdem möchte man sozial integriert sein. Wenn alle es machen, macht man halt mit. Ansonsten ist man ausgeschlossen.Daneben spielt natürlich Unterhaltung, als ganz klassisches Motiv, eine wichtige Rolle.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einfach und pragmatisch. Können Sie genauer erläutern, wie Sie das meinen?

Soziale Plattformen sind kurzweilig und quasi immer verfügbar, da sie zumeist über mobile Endgeräte genutzt werden. Der Griff zur Hosentasche ist sehr leicht und häufig auch schon habitualisiert, also zu einer festen Gewohnheit geworden.

Warum ist gerade TikTok so beliebt?

Monika Taddicken ist Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig.
Monika Taddicken ist Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Technischen Universität Braunschweig. © Daniel Götjen

TikTok lebt nur von Videos und genau das macht auch den Charme aus.

TikTok funktioniert ähnlich wie das Fernsehen. Man kann sich einfach berieseln lassen, durchzappen – was kommt denn so Interessantes? Man bedient weniger dieses Bedürfnis: „Ich will selbst aktiv werden und mich mit Freunden vernetzen und Nachrichten schreiben können.“ Das haben wir dann wieder eher auf Instagram.

Wie schafft TikTok es, dass seinen Usern nicht langweilig wird?

TikTok arbeitet mit einem sehr zielgerichteten Algorithmus. Umso häufiger und umso mehr man es nutzt, je mehr man sucht, desto mehr lernt der Algorithmus daraus. Er lernt: „Ah das guckt sie gerne, das andere swiped sie immer sofort weg.“ Je länger man etwas nutzt oder etwas anschaut, desto interessanter ist es wohl.

Außerdem ist TikTok insgesamt sehr vielfältig. Es werden unterschiedlichste Interessen bedient. Vom Anfangsklassiker, den Tanzvideos, über verschiedene Challenges, Fitnesssachen, Diätsachen, Ernährung, Beautytipps. Es gibt gefühlt zu allem etwas. Und es gibt keine Grenzen. Und durch die Schnelllebigkeit von TikTok kommt auch ständig wieder Neues hinzu.

Sie hatten ganz am Anfang das Thema Soziale Integration im Bezug auf Soziale Plattformen erwähnt. Welche Rolle spielt diese speziell bei TikTok?

Hier greift auf alle Fälle die sogenannte „Anschlusskommunikation“. Man redet in Freundes- und Bekanntenkreisen darüber, was bei TikTok passiert. Man tauscht sich im Alltag, also im realen Leben, darüber aus: „Hast du das schon gesehen?“, „Kennst du diese Schminktipps schon?“, „Hast du diese Sportübung auch schon mal ausprobiert?“.

TikTok ist also auch offline Gegenstand der Kommunikation. Vergleichbar mit Trash-TV-Formaten wie „Germanys Next Topmodel“ oder das Dschungel-Camp und Ähnlichem.

Und man braucht natürlich generell immer ein Mindestmaß an anderen Menschen, die die Plattformen nutzen. Damit es überhaupt interessant ist.

Soziale Netzwerke sind für die Menschen in den letzten Jahren viel wichtiger geworden. Wie erklären Sie sich das?

Die Sozialen Plattformen sind einfach viel mehr in unseren Alltag integriert. Früher gab es online und offline. Heutzutage vermischen sich die digitale und die reale Welt. Zum Beispiel durch die „Anschlusskommunikation“, die ich eben schon angesprochen habe.

Bei der jüngeren Generation sieht man aber auch: Sie schauen zusammen aufs Handy oder spielen online gemeinsam Spiele, während sie real zusammensitzen.

Das heißt, sie begegnen sich virtuell und real gleichzeitig.

Wie sehen die Social-Media-Plattformen der Zukunft aus?

Oh, wenn ich das wüsste, dann könnte ich mit Sicherheit viel Geld verdienen.

Was wir gerade an TikTok beobachten, ist der visuelle Fokus und der Trend Richtung Bewegtbild. Das hatte die letzten Jahre einen extremen Aufschwung. Auch YouTube hat dadurch die letzten Jahre enorm in den Nutzungszahlen zugelegt. Lineares Fernsehen scheint nicht mehr attraktiv zu sein für jüngere Menschen. Da bedarf es Ausweichplattformen. Und das bedient TikTok.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob dieses ganz kurze Format sich noch so lange halten wird. Ich könnte mir vorstellen, dass es davon wieder ein bisschen weggeht. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass dieser Community-Gedanke wieder etwas attraktiver wird. Aber ich vermag das nicht zu sagen. Für uns als Forscher ist das auch immer wieder spannend. Wir versuchen da immer up to date zu sein.

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