Braunschweig. Seit fünf Jahren betreibt Yvonne Wilke den Laden in der Rudolfstraße. Hier gibt es regionale Produkte, aber auch immer Neuigkeiten zu erfahren.

Auf dem Tresen stapeln sich Boxen mit Lakritz, Weingummi und Mäusespeck. Hinten an der Wand surrt ein Kühlschrank, randvoll mit Wolters-Flaschen. Es ist eng in dem kleinen Verkaufsraum, aber mehr als ein Kunde darf im Moment sowieso nicht hinein. „Man muss ein bisschen Geduld mitbringen“, nickt Yvonne Wilke. Sie betreibt „Yvonne’s Kiosk“ in der Rudolfstraße, der alles gleichzeitig ist: Wohnzimmer, Infobörse, der Laden um die Ecke und Anker in der Not. Im Moment kämpft Wilke wie viele in ihrer Branche mit den Folgen der Pandemie. Der lange Lockdown, die Ansagen im Wochentakt haben die Kunden verunsichert, Homeschooling und Homeoffice die Ströme verändert.

Seit fünf Jahren steht Yvonne Wilke hinter dem Tresen von Yvonne’s Kiosk. Vorher war hier ein Bäcker, als der schloss, wollte Wilke eigentlich nur die Stühle aus der Geschäftsauflösung kaufen. „Am Ende übernahm ich das ganze Ladenlokal“, erzählt sie lachend. Die anfängliche Skepsis ihr gegenüber sei schnell verflogen. „Morgens schauten die Müllmänner vorbei, mittags die Schüler und abends die Kunden, die Lust auf ein Bier hatten“, erinnert sie sich an die Zeit vor Corona. Mit ihrem Kiosk hat sie es sogar in das Fotobuch „Kiosk Braunschweig 2021“ geschafft (siehe unten). Doch die Zeiten sind nicht leicht gerade. „Statt im Kiosk kaufen die Leute ihre Getränke jetzt lieber online, um 19 Uhr ist fast keiner mehr auf der Straße“, sagt sie. Auch Tankstellen und Supermärkte seien mit ihren langen Öffnungszeiten eine ernste Konkurrenz.

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Der Kiosk in der Braunschweiger Rudolfstraße – ein Ort, um zu plaudern und sich auszuweinen

Dabei sind und waren die Kioske immer mehr als nur eine Einkaufsmöglichkeit. „Hierher kommen die Leute, um zu plaudern, sich auszuweinen oder weil sie einen Rat suchen. Und das sind keineswegs nur die, die mal ganz gerne einen heben“, stemmt sich Yvonne Wilke energisch gegen beliebte Vorurteile.

An diesem Abend haben sich sechs Senioren im Hinterzimmer zum Knobeln getroffen. Schwacher Zigarettenrauch liegt in der Luft, auf einer Herdplatte köchelt leise eine Suppe für die Runde. Spielt Eintracht, versammeln sich unter dem großen Fernsehbildschirm an der Wand die Fans. „Früher konnten das mal 30 sein, im Moment sind es fünf oder sechs“, bedauert Wilke. Auch Fremde finden schnell Kontakt. Nach ein paar Besuchen ist das Eis gebrochen, und man gehört zur Familie.

Viele Produkte in „Yvonne’s Kiosk“ stammen von regionalen Anbietern

„Das Schönste ist, dass man hier Zeit füreinander hat“, sagt Wilke. Dafür hat sie auch ihren Beruf als Krankenschwester an den Nagel gehängt. Die Hektik, der Druck gingen ihr an die Nieren. „Es blieb kaum noch Zeit, sich um den Menschen selbst zu kümmern“, erzählt sie vom stressigen Alltag auf den Stationen. Trotzdem – so ganz kann sie nicht aus ihrer Haut. In jedem Moment ist ihre soziale Ader zu spüren. Sie spendete Obdachlosen im Tagestreff Iglu ein warmes Mittagsessen, sammelt für die Eintracht-Stiftung, das Tierheim und das Projekt Hand in Hand.

„Seit Corona denke ich auch noch einmal stärker lokal. Wie mir geht es doch vielen Gewerbetreibenden“, ist Yvonne Wilke überzeugt. „Wir müssen zusammenhalten.“ Ihr Bier bezieht sie deshalb von Wolters und drei weiteren lokalen Brauereien, das Eis kommt von einem Produzenten aus Querum, ein Mixgetränk von einem Start-up aus der Gartenstadt. „Ich mache weiter“, sagt sie fest. Ihr Vorbild? Die Oma. „Das war so eine richtige Kittelschürzen-Oma. Die stand mit beiden Beinen fest auf der Erde und ließ sich durch nichts unterkriegen. Eine tolle Frau. So etwas gibt’s nur noch selten.“

Tipp: Ein Braunschweiger Kioskbuch

Unter dem Titel „Kiosk Braunschweig 2021“ haben Sascha Griese und Marius Zengler 13 Kioske in der Stadt fotografiert – mit Angabe der Straße und der Bierpreise für ein kleines Wolters. Entstanden ist die Idee im zweiten Corona-Lockdown. Dem Brand Manager einer Agentur und dem Rechtspfleger am Amtsgericht war damals aufgefallen, wie wenig Kioske es in Braunschweig gibt – etwa im Vergleich zum Ruhrgebiet. Der Bildband ist bei Graff für 19,90 Euro erhältlich.