Braunschweig. Timo Sass vom Mieterverein Braunschweig über den Streit mit Haus+Grund, die Mieterhöhung und Wünsche für die Zukunft.

Der neue Mietspiegel für Braunschweig ist beschlossen. Vom 1. September an wird die neue Durchschnitts-Kaltmiete 7,05 Euro betragen. Eine Erhöhung um 19 Prozent seit der letzten Erhebung im Jahr 2018. Der Eigentümer-Verein Haus+Grund ist so unzufrieden, dass er vor Gericht ziehen will. Timo Sass, Geschäftsführer Mieterverein Braunschweig und Umgebung, erwartet hingegen Änderungen in der Zukunft.

Herr Sass, Haus+Grund ist der Auffassung, seine Bedenken gegenüber dem neuen Mietspiel würden vom Mieterverein geteilt. Stimmt das?

Haus+Grund hat weiterhin Bedenken gegen den Mietspiegel. Der Mieterverein hatte Bedenken hinsichtlich einzelner Merkmale, die aber vollständig ausgeräumt wurden. Um es auf den Punkt zu bringen: Der nunmehr auch im Rat beschlossene Mietspiegel hat die volle Zustimmung des Mietervereins Braunschweig. Er wurde wie gesetzlich vorgeschrieben nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und trägt zu Recht das Prädikat eines qualifizierten Mietspiegels. Wenn Haus+Grund meint, die Wissenschaftlichkeit des Braunschweiger Mietspiegels angreifen zu wollen, können sie dies gerne im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu einer Mieterhöhung versuchen.

Das Institut Analyse und Konzepte hat dem Arbeitskreis auch auf meine ausdrückliche Bitte hin mitgeteilt, dass der Braunschweiger Mietspiegel 2022 einer gutachterlichen Überprüfung und damit auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten wird.

Woher kamen die Bedenken des Mietervereins?

Es hatte sich herausgestellt, dass das alte Merkmal „Gute Wohnlage“ sich nicht mehr signifikant als Zuschlag ausgewirkt hat. Wir als Mieterverein wollten daher die erhobenen Daten gerne nach Stadtteilen ausgewertet haben. Dabei stellte sich heraus, dass für den durch die Stadt neu festgelegten Stadtbezirk „Mitte“, der sich aus den früheren Stadtteilen Innenstadt und Viewegsgarten-Bebelhof zusammensetzt, ein Zuschlag von zehn Prozent ermittelt wurde.

Durch den Rat wurde jedoch gebeten, das Ergebnis für den Stadtbezirk „Mitte“ noch einmal unter Zugrundelegung der Stadtteile Innenstadt und Bebelhof auszuwerten. Nach dieser kleinteiligeren Auswertung wurden die Ergebnisse des Mietspiegels angepasst. Der geplante Zuschlag für den Bebelhof entfiel nach dieser erneuten Auswertung der abgefragten Datensätze.

Die ursprüngliche Befürchtung war, dass hier durch den Rat irgendwelche Änderungen an den Zu- oder Abschlägen hineinargumentiert werden sollten. Da das Institut aber eine neue Auswertung der Datensätze vorgenommen hat, blieb die wissenschaftliche Grundlage, auf der ein qualifizierter Mietspiegel fußt, trotz der Änderungen erhalten.

Haus+Grund moniert, in der Weststadt hätte es einen Abschlag von 3,6 Prozent geben müssen. Wie sehen Sie das?

Der von Haus-Grund behauptete Abschlag wurde nie erwähnt und auch vom Institut Analyse und Konzepte nie genannt und ist unzutreffend. Das Institut hat dem Arbeitskreis auf mehrfache Rückfrage mitgeteilt, dass laut Statistik kein Abschlag für die Weststadt berechtigt ist. Natürlich hätten wir als Mieterverein darauf bestanden, dass ein solcher Abschlag in den Mietspiegel hätte aufgenommen werden müssen, wenn denn dieser berechtigt wäre.

Was wäre schlimm daran, wenn der neue Mietspiegel dennoch einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhält?

Das wäre für die Mieterinnen und Mieter eine Katastrophe, da dann der Mietspiegel nicht mehr als qualifiziert gelten würde. Dem Mietspiegel kam und kommt immer auch eine streitschlichtende Funktion zugute. Mieterinnen und Mieter und Vermieterinnen und Vermieter aber vor allem auch die zuständigen Gerichte konnten und mussten sich an dem qualifizierten Mietspiegel orientieren. Ohne einen solchen Mietspiegel wird die Zahl der Mieterhöhungsverfahren vor Gericht enorm zunehmen, da die ohne vorrangig anzuwendenden Mietspiegel möglichen Mieterhöhungen, beispielsweise mit drei Vergleichswohnungen, erhebliche Rechtsunsicherheit bergen.

Viele Mieter schauen sorgenvoll voraus. Die hohen Energiepreise lassen die Nebenkosten und die Verbraucherpreise steigen. In zwei Jahren sollen Braunschweigs Mieten, so war es bislang Praxis, um den Anstieg der Verbraucherpreise angehoben werden. Das wird wohl eine neuerliche Erhöhung der Mieten um mehr als 10 Prozent bedeuten. Sollte man an der bisherigen Praxis festhalten? Wozu würden Sie raten?

Bei der in zwei Jahren erforderlichen Fortschreibung des qualifizierten Mietspiegels hat sich der Mieterverein gegenüber der Arbeitsgemeinschaft dafür ausgesprochen, den Mietspiegel nicht nach dem Verbraucherpreisindex fortzuschreiben. Dies würde zu falschen Ergebnissen führen. Aus unserer Sicht müsste dann eine sogenannte Stichprobe, also eine kleine statistische Nacherhebung stattfinden, um den Mietspiegel fortzuschreiben.

Fakten zum Mietspiegel:

In Braunschweig sorgt der Mietspiegel in zwei Fällen für Kostendeckel: Werden neue Mietverträge abgeschlossen, darf die Miethöhe nicht um mehr als 10 Prozent über dem Liegen, was der Mietspiegel als ortsüblich vorgibt. Bei Mieterhöhungen darf die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten werden. Die Mietpreisbremse sorgt in Braunschweig zusätzlich dafür, dass Mieterhöhungen allenfalls um 15 Prozent binnen drei Jahren erfolgen dürfen.

Lesen Sie auch: