Braunschweig. Tanzlehrerin als Beruf: „Es ist super anstrengend, macht aber auch super Spaß“, sagen Joyce Brasche und Helena Frank auf ihrem Weg zum Traumjob.

Auch eine Idee: Tanz als Ausbildungsberuf. Zwei unterschiedliche Frauen – Helena Frank und Joyce Brasche – auf dem Weg zur zertifizierten Tanzlehrerin. Wir haben sie in der Tanzschule Berger getroffen.

Helena Frank kommt aus der ehemaligen Sowjetunion. Mitte der 90er Jahre, da ist sie elf Jahre alt und eine begeisterte Tänzerin. Im Kinderpaartanz. „In der Sowjetunion gehörte Tanz und Musik zur Kindheit einfach dazu“, erinnert sie sich gut.

Der Ehemann ein Nichttänzer

In Deutschland angekommen, ist die Enttäuschung zunächst groß. Hier gibt es keinen Kinderpaartanz. Zumindest nicht in der näheren Umgebung. Die Familie zieht nach Salzgitter. Schule, Abi, Studium – der Tanz bleibt auf der Strecke. Zumal ihr Freund (und jetziger Ehemann) ein bekennender Nichttänzer ist. Drei Kinder werden geboren. „Ich hatte zu der Zeit einfach ganz andere Themen in meinem Alltag“, erzählt Helena Frank.

Zwischen Volkstänzen und Hip-Hop

Festlich zum Sommerball der Tanzschule Berger: Joyce Brasche (links) und Helena Frank.
Festlich zum Sommerball der Tanzschule Berger: Joyce Brasche (links) und Helena Frank. © Berger

Eine Freundin leitet ein Integrationszentrum in Salzgitter und fragt sie irgendwann: „Du kannst doch tanzen, kannst du nicht für unsere Kinder einen Kursus anbieten?“ Helena Frank sagt zu. Vier Gruppen leitet sie, die Kinder sind zwischen 5 und 17 Jahre alt. „Ich habe versucht, alle Nationalitäten einzubinden“, erinnert sie sich genau. Es gibt Volkstänze aus Griechenland, Russland, der Ukraine, Deutschland, aber auch Hip-Hop oder Modern Dance und Contemporay-Style.

Die Kinder erzählen zu Hause so begeistert von ihrem Tanzunterricht, dass schließlich die Eltern kommen und auch um Unterricht bitten. „Kannst du uns bitte Walzer, Tango und solche Tänze beibringen?“, fragen sie. Helena Frank zögert. Schließlich ist sie keine Tanzlehrerin. Aber dann lässt sie sich überzeugen. „Ich habe gedacht: Ok, ich versuche es.“ Fünf Paare gehen an den Start. Allen macht es riesigen Spaß. Helena Frank auch.

Im Lockdown kommt die Idee zur Ausbildung

Der erste Corona-Lockdown legt die kleine Tanzgruppe lahm. Da kommt Helena Frank die Idee, noch eine Ausbildung zu machen. Mit knapp 40 Jahren. „Ich habe die Tanzschule Berger angerufen und angefragt“, erzählt sie von ihrem beruflichen Neustart. Und sie hat die Lehrstelle bekommen. Jetzt ist Helena Frank im zweiten Ausbildungsjahr. Und damit auf dem Weg zu ihrem Traumjob: Tanzlehrerin mit Abschluss im ADTV (Allgemeine Deutscher Tanzlehrerverband).

Vom Reiten zum Tanzen

Joyce Brasche dagegen hat anfangs gar nichts mit tanzen am Hut. Die 19-Jährige ist als Kind begeisterte Reiterin. Dann wird die Reitlehrerin krank. „Und ich saß zu Hause“, erinnert sich Joyce. Nicht lange. „Meine Mutter hat mich ein bisschen angeschoben, sie wollte, dass ich mir aktiv ein Hobby suche“, erzählt Joyce. So kommt sie zu einer Probestunde in der Tanzschule Berger in Gifhorn. „Am Anfang war ich froh, geradeaus laufen zu können“, erzählt sie mit lautem Lachen, „ich hatte null Talent.“

Aber sie fühlt sich wohl in der Tanzschule. Vor allem im Hip-Hop und im Ladystyle-Tanz ist sie schnell zu Hause. Schon bald betreut die junge Frau einen Kinderkursus, darf Eltern beraten, die ihre Kinder anmelden wollen. „So habe ich meine Schüchternheit abgelegt“, blickt sie zurück.

Ausbildung zur Tanzlehrerin

Die Ausbildung zur Tanzlehrerin ist da nur noch ein kleiner Schritt. „Ich habe gedacht: Wenn du eh schon die meiste Zeit hier verbringst, kannst du es auch beruflich machen.“

Joyce und Helena sind beide im zweiten Lehrjahr. Die beiden Frauen trennen gut 20 Jahre Altersunterschied, das steht ihnen aber nicht im Weg. „Ich lerne ganz viel von Helena“, schwärmt Joyce von ihrer Kollegin, „sie hat ja schon sehr viel mehr Erfahrung.“

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Vor allem bei den Klassikern freut sie sich über Unterstützung. „Ich hatte keine Ahnung von Standard und Latein“, erzählt die 19-Jährige von den Anfängen ihrer Ausbildung. Die beiden trainieren viel gemeinsam. Zweimal in der Woche sind sie in der Tanzakademie in Hannover. „Dort waren am Anfang 14 Auszubildende am Start“, erzählen sie, „jetzt sind wir noch 7.“

Die Abbrecherquote ist hoch

Die Abbrecherquote ist hoch. Die Ausbildung ist hart. Körperlich, mental und theoretisch. „40 Prozent der Ausbildung ungefähr ist Praxis, 60 Prozent Theorie“, erklärt Helena Frank. Ihr fällt die Theorie schwerer. „Du musst einen Tanz beziehungsweise eine Choreographie auf Papier bringen können“, erklärt sie, „so, dass andere es nachtanzen können.“

Joyce bekommt von Helena eher Hilfe in der Praxis: die richtige Haltung. Wo ist der Arm? Wie steht der Fuß? Jede Kleinigkeit zählt.

Besonders schwer: „In der Ausbildung, also auch vor den Prüfern, tanzt du immer allein“, erzählt Joyce. „Auch der klassische Paartanz muss mit einem imaginären Partner im Arm getanzt werden. Da kommst du schon ins Überlegen: Wo steht der jetzt eigentlich“?

„Tanzen kannst du lernen“

Parallel zur Ausbildung in Hannover belegen sie noch Blockseminare für ihre Zukunft als Fachtanzlehrer. Helena tanzt gerade Salsa, Joyce spezialisiert sich auf Hip-Hop.

Ihr Tipp für Menschen, die auch Tanzlehrer werden wollen? Was sind die Voraussetzungen? „Du musst dich anstrengen können und wollen, du musst arbeiten, wenn andere Feierabend haben“, beschreiben sie ihren Traumberuf, „es ist super anstrengend, aber es macht auch super Spaß.“ Und Talent? „Nicht nötig“, sagen sie, „tanzen kannst du lernen.“